Luftverschmutzung:Der Staub nach dem Regen

Nach einem Regenguss riecht die Luft frisch. Sauberer ist sie deshalb aber nicht. Im Gegenteil: Der Regen wirbelt Staub und Dreck sogar auf. Auch Bakterien und Pilzsporen sind dann plötzlich in der Luft.

Von andrea hoferichter

Nach einem Regenguss riecht die Luft frisch, und die Sicht ist klar. Doch der saubere Eindruck trügt - zumindest teilweise. Zwar reißen die Wassertropfen tatsächlich eine Menge Dreckteilchen aus der Luft zu Boden. Aber zugleich befördert der Regen Bodenpartikel in die Luft. Diesen Vorgang haben unter anderem amerikanische Wissenschaftler mehrerer staatlicher Forschungsinstitute im Magazin Nature Geoscience beschrieben. Die Ergebnisse könnten künftig in Klimamodelle einfließen.

"Dass Regen feste Aerosole produziert, hatte bisher niemand so recht auf dem Zettel", sagt Mary Gilles vom Berkeley Lab. Bisher sei man davon ausgegangen, dass Bodenstaub vor allem von Wind getrieben von erodierenden Flächen oder gepflügten Äckern in die Luft wirbelt.

Gilles und ihr Team entdeckten die kugeligen Bodenstaubpartikel unter dem Mikroskop in Luftproben, die sie im Bundesstaat Oklahoma nach heftigem Regen genommen hatten. Gemeinsam mit Wissenschaftlern des Pacific Northwestern National Laboratory (NPPL) untersuchten sie anschließend die chemischen und physikalischen Eigenschaften der weniger als einen Mikrometer kleinen Brösel. Demnach handelt es sich um organische Kohlenstoffverbindungen, wie sie im Boden vorkommen. Sie entstehen, wenn Pflanzenteile oder Tierkadaver verrotten. Die Analysen von Luftproben nach zwei weiteren Regenfällen am gleichen Ort und über einem gesprengten Gartenrasen im Bundesstaat Washington bestätigten die Ergebnisse.

Für den Weg der Teilchen vom Boden in die Luft haben die Forscher eine einfache Erklärung: Wenn Regentropfen auf die Pfützen des wassergetränkten Bodens prasseln und dort regelrecht explodieren, bilden sich kleine Luftblasen. Diese Blasen nehmen Pfützenwasser und die darin gelösten Bodenstoffe mit in die Luft, ähnlich wie die Gischt des Meeres Salzteilchen in die Atmosphäre befördert. Verdampft das Wasser wieder, bleiben die Bodenpartikel in der Luft zurück. Da sie klein und leicht sind, sinken sie nicht gleich wieder zu Boden, sondern können tage- oder wochenlang in der Atmosphäre schweben und Tausende Kilometer zurücklegen. Als Nächstes wollen die Wissenschaftler Proben nach Regenfällen in anderen Regionen der USA sammeln und mathematische Modelle für den Einfluss des regengetriebenen Staubs auf das lokale und regionale Klima entwickeln.

Nach dem Schauer schwebten plötzlich Bakterien und Pilzsporen in der Luft

Ulrich Pöschl vom Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz ist überzeugt, dass es diesen Einfluss gibt. "Aerosole sind für den Strahlungshaushalt und die Wolkenbildung von großer Bedeutung", sagt er. Zu den Aerosolen zählen außer Bodenstaub auch Wassertropfen, Ruß-, Sand- oder Salzteilchen. Sie können Licht streuen, sich durch Sonnenlicht aufheizen, als Kondensationskeime die Wolkenbildung fördern und in höheren, kälteren Lagen dafür sorgen, dass sich in Wolken mehr Eiskristalle formen. All diese Effekte beeinflussen das Klima. Allerdings ist noch unklar, wie viele Partikel welcher Art überhaupt in der Luft sind und wie stark sie sich auswirken.

Deshalb hält Pöschl die neuen Informationen aus den USA für wertvoll, auch wenn sie nicht völlig überraschend sind. Er selber habe mit Kollegen vor einigen Jahren in der vermeintlich regengereinigten Luft über nordamerikanischen Pinienwäldern Bakterien und Pilzsporen gefunden. Der Keimgehalt sei nach einem Regenguss mitunter auf das Zehnfache gestiegen, berichteten die Forscher 2013 im Fachblatt Atmospheric Chemistry and Physics.

Die durch Regen emporgeschleuderten Aerosole könnten somit nicht nur Folgen für das Klima, sondern auch für die Gesundheit haben. Vor allem Asthmatiker können das zu spüren bekommen. Sie werden nach einem Regenguss oft besonders heftig von Anfällen gequält. Forscher vermuten, dass Regentropfen Pollenkörner aufbrechen und besonders viele Allergene freisetzen. Und auch der von den US-Forschern gefundene Bodenstaub in der Luft könnte laut Pöschl zum sogenannten Gewitter-Asthma beitragen. "Man denkt ja immer, Regen reinigt die Luft. Aber manchmal ist die Luftbelastung kurz nach einem kräftigen Regenguss sogar höher als vorher", sagt er.

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