Kohlendioxid:Luft im Kino verrät die Stimmung im Saal

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Wissenschaftler haben die Atemluft von Kino-Zuschauern analysiert. Immer wenn es aufregend wird, schlagen die Messgeräte aus.

Von Hanno Charisius

Ein Kinosaal in Mainz. Das Publikum schaut den zweiten Teil der Hunger-Games-Verfilmung. Als das Kleid der Filmheldin Katniss Everdeen plötzlich in Flammen steht und der finale Kampf beginnt, registrieren die Messgeräte von Jonathan Williams hinter der Bühne zwei kleine Ausschläge. Williams misst in der Rohrleitung der Lüftungsanlage, was die Kinobesucher ausatmen. Und wenn es spannend wird, gibt es klare Signale. Kohlendioxid geht zum Beispiel hoch, auch Isopren, das etwa Pflanzen in großen Mengen ausscheiden.

Nun hat der Atmosphärenforscher Williams vom Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz zusammen mit seinen Kollegen die Ergebnisse seiner Messungen im Fachblatt Scientific Reports veröffentlicht. 16 verschiedene Filme haben die Wissenschaftler mehrfach untersucht, immer fanden sie eindeutige Muster in der Atemluft, die sich in spannenden Szenen klar von lustigen Momenten unterscheiden. Gut 800 verschiedene Substanzen lassen sich in der Luft nachwiesen, die ein Mensch ausatmet. Bislang sind nicht alle davon bekannt.

Das Kino als Untersuchungsort haben die Forscher gewählt, da hier viele Menschen zusammenkommen und gleichzeitig auf den selben Reiz reagieren. Nun will Jonathan Williams weitere Filme intensiver untersuchen, nicht nur Action und Komödien, sondern auch Horror und Erotik. So will er herausfinden, ob es sich bei den Ausdünstungen der Menschen um eine Art chemische Kommunikation handelt.

Messgeräte in einem Mainzer Fußballstadion

Daran mag Jonathan Beauchamp vom Fraunhofer-Institut IVV in Freising nicht glauben. Er untersucht, wie sich der Atem von Menschen verändert, nachdem sie Medikamente eingenommen haben. Kohlendioxid und Isoprenausstoß würden auch bei schnellerem Herzklopfen vermehrt ausgeatmet. "Ich würde allerdings nicht ausschließen, dass mögliche chemische Kommunikationssubstanzen unter den anderen, weniger konzentrierten Verbindungen dabei sind."

Eigentlich interessiert sich Jonathan Williams dafür, wie die Luftreinigung in der Natur funktioniert. Irgendwann kam ihm die Idee, zu untersuchen, welche Substanzen Menschen mit der Atemluft in die Atmosphäre ausstoßen. Dazu installierte er seine Messgeräte im Mainzer Fußballstadion mit 30 000 Zuschauern. Er konnte anhand der Gasmessungen nachvollziehen, wie sich das Stadion vor dem Spiel füllte, wie in der Halbzeit mehr geraucht wurde und wie mit dem Spielverlauf der Alkoholgehalt in der Stadionluft anstieg.

"Am Anfang sind die Fans vielleicht etwas beschwipst. Die, die am Ende am längsten im Stadion bleiben, die dürften nach unseren Messungen schon ganz schön betrunken sein." Nur was bei einem Tor passiert, konnte er nicht messen. Das Spiel ging 0:0 aus.

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