Klimawandel:Datenleck beim Weltklimarat?

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Der nächste Bericht des IPCC zum Klimawandel soll erst im kommenden Jahr veröffentlicht werden - doch bereits jetzt kursiert eine Version im Netz. Online gestellt hat die Daten ein Kritiker der etablierten Klimaforschung.

Von Christopher Schrader

Im Internet kursiert ein angeblicher Entwurf des bislang geheimen Berichts, mit dem der Weltklimarat IPCC im kommenden Jahr den Stand der Klimaforschung zusammenfassen möchte. Das Büro des IPCC in Genf hat am Freitag darauf reagiert und die Veröffentlichung bedauert und damit implizit authentifiziert; deutsche Wissenschaftler, die an dem Report mitgearbeitet haben, halten die Dokumente für echt.

Der Text beschreibt die Verantwortung der Menschheit für den Klimawandel in noch deutlicheren Worten als der Vorgängerreport aus dem Jahr 2007. Veränderungen der Sonnenstrahlung in jüngsten Jahren seien zwar für eine minimale Abkühlung verantwortlich, die aber von der Erwärmung durch die Treibhausgase bei Weitem übertroffen werde.

Es gebe "sehr großes Vertrauen" in die Aussage, dass natürliche Ursachen nur in einem geringen Ausmaß für die gestörte Strahlungsbilanz der Erde verantwortlich sind, die zum globalen Temperaturanstieg führt. Nach den sprachlichen Konventionen des IPCC bedeutet die Formulierung, dass die Menschheit mit mehr als 90-prozentiger Wahrscheinlichkeit das Klima verändert.

Die Quelle der Dokumente ist ein Kritiker der etablierten Klimaforschung. Der Mann heißt Alec Rawls, ist offenbar US-Bürger und hatte sich beim IPCC als Gutachter angemeldet. "Das kann jeder machen und bekommt dann vollen Zugang, wenn er verspricht, den Entwurf vertraulich zu behandeln und nicht zu verbreiten", sagt Jochem Marotzke, Direktor am Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg.

"Jetzt beginnt eine Debatte über ein unfertiges Produkt"

Rawls habe nun nicht nur das Vertrauen unterlaufen, das Wissenschaftler einander entgegenbringen. Er störe auch die Diskussion, die in mehreren Fassungen die Qualität des Berichts verbessern soll.

"Jetzt beginnt eine Debatte über ein unfertiges Produkt", sagt Marotzke. "Das ist so, als würde man ein unfertiges Auto aus der Fabrik stehlen und sich danach öffentlich darüber beschweren, dass es nicht fährt." Der IPCC ergänzt, noch bis Mitte März 2013 könnten weitere wissenschaftliche Studien in den Bericht einfließen. Rawls hingegen rechtfertigt seine Tat mit dem bereits heute überragenden Interesse der Öffentlichkeit.

Der veröffentlichte Entwurf erwartet eine globale Erwärmung zwischen 0,9 und 5,5 Grad Celsius gegenüber der Frühzeit der industriellen Ära. Diese breite Spanne, für die auch frühere IPCC-Berichte schon kritisiert worden sind, ergibt sich durch die Arbeitsweise. Die Wissenschaftler haben die Zukunft in vier Szenarien durchgerechnet, die sich im Ausstoß der Treibhausgase unterscheiden. Nur für das unterste ist es dem Entwurf zufolge überhaupt möglich, die Erwärmung wie international vereinbart auf zwei Grad zu begrenzen. Tatsächlich haben sich die Emissionen in der Vergangenheit aber stets entlang des obersten Szenarios entwickelt.

Der Meeresspiegelanstieg bis zum Jahr 2100 könnte dem Entwurf zufolge 96 Zentimeter erreichen. In den letzten Jahren dieses Jahrhunderts dürfte der Wasserstand dann um mindestens acht Millimeter pro Jahr klettern, das ist das zweieinhalbfache heutiger Werte. Zudem erwarten die IPCC-Autoren offenbar eine deutliche Zunahme extremer Wetterereignisse. Was heute eine Hitzewelle ist, wie sie alle 20 Jahre einmal vorkommt, könnte zum jährlichen Ereignis werden. Auch die Stärke und Frequenz starker Regenfälle solle zunehmen.

All das bietet Kritikern wie Alec Rawls wenig Bestätigung für ihre These, bisher vernachlässigte Faktoren seien die eigentlichen Auslöser der Erwärmung. Er zitiert jedoch einen Satz aus dem Entwurf als "gamechanging", also wegweisend. Demnach wirken kosmische Strahlen in einer Weise, die noch nicht richtig verstanden ist, auf die Wolkenbildung. Klimaskeptikern gilt dieser Mechanismus als eigentliche Ursache des Temperaturanstiegs. Der Entwurf erklärt aber an mehreren Stellen, dass die kosmischen Strahlen allenfalls einen kleinen Einfluss auf die Erwärmung haben, was Rawls nicht weiter beeindruckt.

"Da hat der Mann einen Satz aus dem Zusammenhang gerissen und aufgebauscht", sagt Marotzke.

© SZ vom 15.12.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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