Interview:Das Wetter von morgen

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Richard Spinrad ist Meeresforscher und seit 2014 Chefwissenschaftler der amerikanischen Klima- und Meeresbehörde Noaa. Zuvor war er Vizepräsident für Forschung an der Oregon State University. (Foto: Karl Maasdam Photography)

Richard Spinrad, Chefwissenschaftler der US-Meeres- und Klimabehörde NOAA über "Blaue Ökonomie" und die Zuverlässigkeit künftiger Wetterprognosen.

Interview von Marlene Weiss

Seit zwei Jahren ist der Ozeanograf Richard Spinrad Chefwissenschaftler der US-Meeres- und Klimabehörde NOAA. Davor war der Posten wegen Streitereien im Kongress mehr als zehn Jahre lang unbesetzt. Die SZ sprach mit Spinrad während eines Besuchs beim Deutschen Wetterdienst, mit dem die NOAA zusammenarbeitet.

SZ: Herr Spinrad, Sie sind zwar Ozeanograf, aber auch der oberste Wetterforscher der USA. Wann kommt endlich eine Zwei -Wochen -Vorhersage, auf die man sich verlassen kann?

Richard Spinrad: Es gibt da eine Faustregel: Pro Jahrzehnt verbessert sich der kurzfristige Wetterbericht um 24 Stunden. Die 48-Stunden-Vorhersage heute ist also so gut wie die 24-Stunden-Vorhersage vor zehn Jahren. Aus dieser Logik heraus würde ich schätzen, dass in 15 Jahren unsere Fünftagevorhersage ähnlich genau sein könnte wie die Zweitagesvorhersage heute. Aber aus physikalischer Sicht funktionieren die Prognosen ab zehn bis 14 Tagen nicht mehr so gut. Da wird es viel komplizierter. Wir arbeiten dafür an neuen Techniken. Aber wann eine zuverlässige Vorhersage gelingt, darüber kann man heute nur spekulieren.

Die NOAA berät das Weiße Haus. Aber was, wenn eine Regierung nicht mehr zuhört? Wäre etwa eine Regierung Trump das Ende der Klimaforschung?

Das amerikanische System bringt es mit sich, dass es trotz dramatischer Veränderungen in der Politik Kontinuität gibt; wir haben unser Budget für das nächste Haushaltsjahr schon zusammengestellt, und Klimaforschung ist darin enthalten. Wir treffen keine Entscheidungen über Verschmutzungsgrenzen oder CO₂ in der Atmosphäre, wir liefern nur wissenschaftliche Information. Natürlich können sich Prioritäten von Regierung zu Regierung verändern.

Was wären Ihre Prioritäten?

Ich glaube, das Wichtigste ist, dass wir angemessene Beobachtungskapazitäten haben. Wir haben nicht alle Daten, die für unsere Dienstleistungen nötig sind. Vor allem im Meer brauchen wir mehr Sensoren.

Warum?

Eines der wichtigsten globalen Phänomene ist das Klima-Ereignis El Niño. Um das vorherzusagen, brauchen wir Beobachtungen im tropischen Ozean. Da haben wir ein Bojen-Sensorsystem, aber das lässt sich erweitern, mit treibenden Bojen oder unbemannten Unterwasserfahrzeugen. Wir könnten auch mehr Größen messen: Momentan werden vor allem Druck, Salzgehalt, Temperatur oder Ozeanströmungen erfasst. Aber warum können wir nicht ein System schaffen, das überall im Ozean den pH-Wert misst? Das klingt sehr einfach, aber immerhin geht es um Sensoren, die bei eisigen Temperaturen und extremen Drücken in Salzwasser arbeiten.

Sie haben zuletzt mehrfach die "Blaue Ökonomie" erwähnt. Was ist das?

Ich meine damit das informationsbasierte Geschäft mit unserer dramatisch verbesserten Vorhersage von Veränderungen im Ozean. Wenn zum Beispiel jemand Getreide aus dem Hafen von Portland in Oregon ausfahren will, muss er wissen, wie hoch steht die Flut, wie verändert sich der Wind, wie viel Getreide kann er laden, damit er sicher aus dem Hafen kommt und auf dem Columbia River keine Brücken rammt. Oder Algenblüten: Betreiber von Yachthäfen oder Strandresorts wollen wissen, ob, wann und wie schwer ihr Bereich getroffen wird. Solche personalisierten Vorhersagen machen wir als Behörde nicht, das ist eine Gelegenheit für private Anbieter. Ich glaube, das könnte vergleichbar mit kommerziellen Wetterberichten sein, übrigens etwa eine Zehn-Milliarden-Dollar-Industrie.

Ihre Behörde hat kürzlich eine Strategie gegen Ozean lärm vorgestellt. Was erhoffen Sie sich davon?

Wir haben ein paar gute Einzelmessungen von Lärm im Ozean, aber über die gesamte Klanglandschaft des Meeres wissen wir nicht viel. Das liegt daran, dass wir überhaupt sehr wenig über die Ozeane wissen. Nur fünf Prozent des Meeresgrunds sind ähnlich gut kartiert wie der Mond. Das Gleiche gilt für Lärm: Wir wüssten gerne, wie laut es an jedem Punkt im Ozean im Laufe des Jahres ist. Dann könnten wir analysieren, was davon natürlich ist, was menschengemacht und was die Folgen sind.

Klimawandel, Versauerung der Meere, Dreck und auch noch Lärm: Haben Sie manchmal das Gefühl, dass es nichts als schlechte Nachrichten gibt?

Nein, ich bin sehr optimistisch, gerade wenn ich unser Wissen über die Umwelt von heute mit dem Stand vor 45 Jahren vergleiche, als ich beschloss, Ozeanograf zu werden. Wir haben heute ganz andere Kapazitäten, wir können Probleme antizipieren. Erst kürzlich hat Präsident Obama die Erweiterung des größten Meeresschutzgebietes der Welt in Hawaii bekannt gegeben. Als ich ein Kind war, gab es überhaupt keine Meeresschutzgebiete.

© SZ vom 27.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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