Interessenkonflikte in der Forschung:Trügerische Transparenz

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Viele Ärzte und Forscher bekommen Zuwendungen von Pharmafirmen oder sind an Biotech-Unternehmen beteiligt. Das kann zu Interessenkonflikten führen, die sie offenlegen sollen. Doch diese Transparenz kann auch negative Folgen haben.

Christina Berndt

Zum guten Ton in der Wissenschaft gehört es heute, Interessenkonflikte beim Namen zu nennen. Allzu häufig sind Ärzte und Forscher in ihrer Arbeit nicht völlig frei. Sie bekommen Zuwendungen von Pharmafirmen oder sind an Biotech-Unternehmen beteiligt, deren Gewinn durch ihre Forschungsergebnisse beeinflusst wird.

Solche Zuwendungen sollten veröffentlicht werden, fordert die wissenschaftliche Gemeinschaft zunehmend. Inzwischen enthalten die Aufsätze in den meisten Fachjournalen denn auch die eigene Rubrik "Conflicts of Interest", in der fein säuberlich aufgelistet steht: Autor Meier bekam Forschungsgeld von Firma Pillenwohl, Autorin Müller wurde für einen Vortrag vom Unternehmen Fühldichfein bezahlt.

Doch je länger diese Praxis anhält, desto deutlicher zeigt sich: Die Darlegung von Interessenkonflikten kann auch kontraproduktiv sein. Allzu schnell fühlen sich Autoren dadurch sakrosankt.

Können sie nicht fortan jede Zuwendung annehmen, wenn sie diese hinterher nur aufschreiben? Durch die stetige Angabe von Interessenkonflikten könnte die Hemmschwelle für finanziell lohnende Kooperationen also noch sinken, die Leser stumpfen ab.

Das Schlagwort Transparenz kaschiert zudem nur das weiterhin wuchernde Problem - frei nach dem Motto: Jetzt ist eine verzerrte Darstellung in Ordnung, der Leser ist ja gewarnt.

Dass solche Befürchtungen nicht aus der Luft gegriffen sind, haben Studien inzwischen untermauert: So vertreten manche Experten nach der Offenlegung ihrer Einnahmequellen ihre Ansichten nur um so tendenziöser, weil sie meinen, sie müssten die Zweifel, die an ihrer Expertise aufgekommen sind, wieder wettmachen.

Andere Fachleute betrachten ihre eigenen Daten umso unkritischer, weil sie sich einbilden, sie würden der Versuchung, Daten verzerrt zu interpretieren, nach der Offenlegung gar nicht mehr erliegen. Beide Verhaltensweisen haben Sozialwissenschaftler um George Loewenstein von der Carnegie Mellon University in Gruppenspielen eindrucksvoll belegt ( JAMA, Bd. 307, S. 669, 2012).

Eines ist sicher: Die Offenlegung von Interessenkonflikten macht aus einer geheimen Befangenheit zunächst einmal nur eine klar ersichtliche Befangenheit, nicht mehr. Das aber enthebt die Betroffenen nicht der Pflicht, die durch Zuwendungen entstehenden Probleme wahrzunehmen und zu lösen.

Zudem ist es Aufgabe der Leser - von Fachleuten ebenso wie von Journalisten -, die Glaubwürdigkeit von Daten und deren Urhebern mit Interessenkonflikten immer und immer wieder zu hinterfragen - und zwar stärker als andere Forschung. Nur so lässt sich sicherstellen, dass die Offenlegung von Interessenkonflikten, die ja an sich eine gute Sache ist, auch das erwünschte Ziel erfüllt. So wie die Veröffentlichung von Unfallstatistiken den Autokauf beeinflusst. In der katholischen Kirche mag die Beichte ein Weg zur Absolution sein. In der Wissenschaft reicht sie nicht.

© SZ vom 25.04.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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