Gewalt in den USA:Viele Schusswaffen, viele Tote

Lesezeit: 2 min

Auf der Jahrestagung der National Rifle Association (NRA) in Houston, Texas (Foto: Adrees Latif/Reuters)

Steigt mit der Zahl der Waffen in der Bevölkerung die Mordrate? Die US-Waffenlobby sagt Nein. Epidemiologen aus Boston haben den Zusammenhang nun in großem Stil untersucht. Ihre Daten offenbaren zugleich eine erschreckend hohe Anzahl von bewaffneten Amerikanern.

Von Sebastian Herrmann

Je größer die Zahl der Schusswaffen in privatem Besitz ist, desto mehr Morde werden damit begangen. Der Zusammenhang klingt so banal wie einleuchtend - ist aber in den USA bisher nur ungenügend untersucht worden.

Epidemiologen um Michael Siegel von der Boston University School of Public Health legen nun eine der umfangreichsten Studien zu diesem Thema vor. Im American Journal of Public Health schreiben sie von einer "robusten Korrelation" zwischen der Zahl der Waffen im Umlauf und der Häufigkeit von Morden damit. Pro Prozentpunkt mehr Schusswaffen steige die Rate von Morden mit diesen Tatwerkzeugen um 0,9 Prozent.

Das Schulmassaker von Newton, Connecticut, bei dem 20 Kinder und sieben Erwachsene erschossen wurden, markierte einen Wendepunkt. Präsident Barack Obama kündigte nach der Tat unter anderem an, die Forschung zur Schusswaffengewalt zu intensivieren. Solche Studien hatte die National Rifle Association (NRA) bis dahin teils erfolgreich torpediert. Das Ergebnis der aktuellen Untersuchung stellt nun eine Position der NRA infrage: Die Interessengruppe hatte stets darauf beharrt, dass mehr Schusswaffen im Umlauf keineswegs zu mehr Schießereien und Gewalttaten führen würden.

Das Team um Siegel legt nun die bis dato umfangreichste Studie zu diesem Thema in den USA vor. Die Wissenschaftler untersuchten die Entwicklung des Schusswaffenbesitzes für den Zeitraum von 1981 bis 2010. Die Daten für Morde, bei denen der Täter eine Schusswaffe verwendet hatte, waren vorhanden. Wie viele Pistolen und Gewehre jedoch im Umlauf sind, ist kaum registriert. Die Forscher behalfen sich mit einem Trick: Sie nutzen Daten zu Selbsttötungen mit Schusswaffen, um auf die Verbreitung von Pistolen und Co zu schließen. Dieses Verfahren hat sich bereits in anderen Studien als valide bewährt.

Am stärksten bewehrt sind demnach die Bewohner von Mississippi, von denen 76,8 Prozent eine Feuerwaffe besitzen. In Hawaii legen die Menschen weniger Wert auf Pistolen. Die Wissenschaftler kalkulieren, dass 25,8 Prozent der Bewohner der Inseln eine Schusswaffe zu Hause haben.

Für die gesamten USA kommen die Forscher um Siegel auf eine Schusswaffenbesitzrate von 57,7 Prozent. In Louisiana war das Risiko, erschossen zu werden, am höchsten: Dort starben 10,8 Menschen je 100.000 Bewohner durch Feuerwaffen. In New Hampshire lag die Opferrate bei 0,9 je 100.000 Einwohner - dort sind auch deutlich weniger Schusswaffen im Umlauf als in Louisiana. Für die Autoren scheint der Zusammenhang klar: Je mehr Schusswaffen es gibt, desto häufiger werden Menschen damit getötet.

© SZ vom 13.09.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: