Frage der Woche:Trauern Tiere?

Häufig hört man, dass Hunde nach dem Tod ihres Besitzers das Essen verweigern oder andere Zeichen von Traurigkeit zeigen. Aber kennen Tiere dieses Gefühl überhaupt?

Markus C. Schulte von Drach

Hunde, so hört man häufig, trauern um ihre verstorbenen Besitzer: Sie suchen nach ihm, wollen nicht mehr fressen, nicht mehr spielen. Die Tiere wirken auf uns, als ob sie emotional auf den Verlust der vertrauten Person ähnlich reagieren, wie wir es von uns selbst kennen.

Frage der Woche: Wenn ihnen vertraute Personen fehlen, trauern auch Hunde.

Wenn ihnen vertraute Personen fehlen, trauern auch Hunde.

(Foto: Foto: ddp)

Entsprechende Berichte gibt es von Katzen, die einen Artgenossen vermissen. Doch können Tiere tatsächlich trauern? Oder interpretieren wir nur eine menschliche Regung in sie hinein?

Tatsächlich gibt es nicht nur Anekdoten über solches Verhalten von Haustieren - also von Tieren, die in engem Kontakt mit Menschen leben. Wissenschaftler haben in der Wildnis oder im Labor beobachtet, dass manche Tiere tatsächlich so etwas wie Trauer zu spüren scheinen.

Ein bekanntes Beispiel sind Elefanten. So konnten der Brite Iain Douglas-Hamilton und seine Kollegen von der Save The Elephants Foundation in Nairobi, Kenia, bei ihren Studien genau verfolgen, wie die Mitglieder einer Herde auf den Tod ihrer Matriarchin reagierten.

Dieses Weibchen, von den Forschern Eleonor genannt, brach eines Tages zusammen. Ihre Artgenossen bemühten sich nicht nur darum, sie wieder auf die Beine zu stellen. Sie kehrten in der Woche nach ihrem Tod auch immer wieder zu der Leiche zurück, betasteten sie, stupsten sie an oder verharrten einfach nur in ihrer Nähe. "Wir benutzen das Wort Trauer nicht", sagte Douglas Hamilton dem Magazin National Geographic später, "aber die Familienmitglieder zeigten starke Gefühle - vielleicht sogar Kummer".

Auch Joyce Poole von der Forschungs- und Naturschutzorganisation Elephant Voices hat mehrfach ähnliche Situationen beschrieben und will ebenfalls in der Haltung und Mimik der Tiere Hinweise auf Trauer erkannt haben. Sogar längere Zeit nach dem Verlust eines Familienmitgliedes verharren Elefanten offenbar am Ort des Todes, als würden sie kurz des Verstorbenen gedenken.

Tatsächlich ist es nicht abwegig, bei Tieren Trauer zu unterstellen, wenn man berücksichtigt, wo dieses Gefühl seinen Ursprung hat. Zum einen müssen soziale Strukturen vorhanden sein, die eine Bindung zwischen Individuen ermöglichen - sei es zwischen Eltern und dem Nachwuchs, den Fortpflanzungspartnern oder Familien- und Gruppenmitgliedern.

Dazu kommen Hirnstrukturen, in denen Gefühle verarbeitet werden. Besonders wichtig ist hier das limbische System, und das besitzen nicht nur Säugetiere, sondern alle Wirbeltiere.

Ein weiterer Faktor ist der Hormonhaushalt. Trauer führt bei Menschen zu einem Anstieg der Stresshormone im Blut. Entsprechend reagieren auch Tiere, die durch den Verlust eines vertrauten Artgenossen gestresst sind, wie zum Beispiel die Forschung an Meerschweinchen gezeigt hat.

Trauer, nicht Mitleid

Und das ist ein wichtige Stichwort: Der Verlust. Es geht nicht um etwas, das sich auf den Toten bezieht, sondern auf uns.

Wir sind natürlich auch bestürzt, wenn wir zum Beispiel hören, dass jemand jung stirbt und das Leben demnach noch vor sich gehabt hätte. Wir fühlen mit den Angehörigen von Verstorbenen. Hier kommt tatsächlich ein Verlust, den nicht wir, sondern andere erlitten haben, ins Spiel.

Doch dann sprechen wir nicht von Trauer, sondern von Mitleid. Für Mitleid brauchen wir die Fähigkeit, uns in andere hineinzuversetzen. Das können außer uns möglicherweise einige Menschenaffen. Bei Elefanten oder gar Hunden und Katzen können wir dies aber nicht unterstellen.

Die Bestürzung, die wir und offensichtlich auch manche Tiere verspüren, wenn jemand, der für uns oder sie wichtig ist, verschwindet, hat ihre Wurzeln nicht im Mitleid. Trauer ist letztlich offenbar nichts anderes als Stress aufgrund des Verlustes von Sicherheit - der Sicherheit, einen festen Beziehungspartner, ein Kind oder einen Kameraden zu haben, dem man vertrauen und auf den man sich verlassen kann.

Und die daraus resultierende Unsicherheit ist ja häufig berechtigt. Hunde ohne Herrchen enden häufig im Tierheim. Elefanten- und andere Tierherden fallen nach dem Verlust erfahrener Mitglieder manchmal auseinander, Jungtiere gehen verloren. Gänse können ohne den Partner ihren Rang unter den Artgenossen nicht halten. Und welche gravierenden Folgen es für Menschen haben kann, Angehörige und Freunde zu verlieren, kann sich jeder vorstellen.

Viele Tiere können demnach Trauer empfinden. Man darf dieses Gefühl jedoch nicht mit Mitleid verwechseln. Das kennen vermutlich nur die wenigsten nichtmenschlichen Lebewesen.

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