Fernhandel im Mittelalter:Wikinger handelten mit Kabeljau-Konserven

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Ein Kabeljau-Knochen, der in der Studie untersucht wurde. (Foto: dpa)
  • Eine aktuelle Analyse von Erbgut aus Fischknochen liefert nun den Nachweis für frühe Handelsbeziehungen der Wikinger mit den arktischen Regionen.
  • Demnach transportierten Wikinger Kabeljau aus polaren Breiten über 2000 Kilometer nach Süden.
  • Stockfisch war damals nicht nur haltbare Nahrung, sondern eine nachgefragte Massenware.

Von Hubert Filser

Regelmäßig legten Schiffe aus dem hohen Norden an den hölzernen Hafenbrücken von Haithabu in der heutigen Schlei an. Über den Meeresarm waren sie von der Ostsee landeinwärts gesegelt, geladen hatten sie neben Fellen und gewaltigen Walrosszähnen auch große Mengen Stockfisch.

Getrocknet ließ sich dieser im nordöstlichen Atlantik gefangene und auf den Lofoten verarbeitete Kabeljau gut lagern und in den aufstrebenden Siedlungen im Süden des Wikingerreichs sowie im Baltikum verkaufen. Vor allem das mächtige Haithabu, das zum Land hin halbkreisförmig mit einem hohen Wall gesichert war, wurde im frühen Mittelalter zum wichtigsten Handelszentrum der dänischen Wikinger im Süden ihres Reiches. Mehr als 1000 Menschen lebten damals dort. Stockfisch war nicht nur haltbare Nahrung, sondern eine nachgefragte Massenware.

Dieses Szenario aus dem 9. Jahrhundert nach Christus zeichnen norwegische, deutsche und britische Forscher in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins PNAS. Auf der Basis von Erbgutanalysen konnten die Forscher zeigen, dass die Wikinger damals Kabeljau aus polaren Breiten fast 2000 Kilometer weit nach Haithabu transportierten. Funde von Kunstgegenständen wie bearbeiteten Walrosszähnen und auch historische Quellen wie die Reiseberichte des Kaufmanns Ottar hatten bereits eine Verbindung der weit entfernten Regionen nahegelegt. Doch die Analyse von Erbgut aus Fischknochen ist der handfeste Nachweis für frühe Handelsbeziehungen der Wikinger mit den arktischen Regionen.

"Fisch war eines der ersten Handelsgüter Europas, das den Kontinent wirtschaftlich enger verknüpfte"

Die Wissenschaftler der Universitäten Oslo und Cambridge um den Genetiker Bastiaan Star analysierten Erbgut aus alten Fischknochen, die sie in Abfallgruben archäologischer Fundstätten gesammelt hatten, fünf der bröseligen Knochen stammen aus Haithabu. Daraus extrahierten sie nahezu vollständige Erbgutsequenzen und verglichen sie mit denen von Wikinger-Fischgründen in verschiedenen Regionen Nordeuropas, bei Island, der Nordsee, dem Baltikum bis zu den Lofoten. Die Forscher konnten zeigen, dass sich verschiedene Fische aus unterschiedlichen Fangregionen tatsächlich den Funden aus dem Mittelalter zuordnen lassen. Das Genetische Signal für die Proben aus Haithabu war eindeutig: Sie stammten von den Lofoten und aus dem Nordostatlantik.

Die Fischer der Lofoten haben vermutlich bereits in frühmittelalterlichen Wintern, wenn große Schwärme von Kabeljau an der Inselgruppe vorbei Richtung Süden zum Laichen ziehen, die Fische gefangen, auf Holzrahmen getrocknet und in der Kälte kostengünstig tiefgekühlt, um sie dann im Frühjahr und Sommer unter anderem nach Haithabu zu verkaufen. "Fisch war eines der ersten Handelsgüter Europas, das den Kontinent wirtschaftlich enger verknüpfte", sagt James Barrett von der Universität Oxford, einer der beteiligten Forscher.

In Haithabu fanden sich auch Hinweise auf andere Fischarten, die möglicherweise gehandelt wurden: Kohlfisch, Lengfisch und Heilbutt kamen allesamt eher in der Nordsee und im Nordatlantik vor als in der Ostsee. Doch der Kabeljau blieb der Fisch Nummer eins. Im Lauf des Mittelalters übernahmen Schleswig und dann vor allem Lübeck den lukrativen Handel mit Stockfisch.

© SZ vom 09.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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