Europas Bevölkerung:Eine einzige große Familie

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Die Beziehungen zwischen den Ländern Europas sind mal besser, mal schlechter - aber im Grunde sind wir tatsächlich alle eine große Familie (Foto: dpa/dpaweb)

Alle Europäer sind eng miteinander verwandt. Genetisch gesehen bilden sie eine große Familie. Das berichten US-Wissenschaftler.

Von Christian Weber

Auch wenn es auf der politischen Ebene kriselt und kracht - genetisch gesehen bilden alle Europäer eine große Familie, deren Angehörige eng miteinander verwandt sind. So lautet das Ergebnis einer Studie der Populationsbiologen Peter Ralph und Graham Coop von der University of California, Davis, im Fachmagazin PLoS Biology (Bd. 11, e1001555, 2013).

Die Forscher haben Genome von 2257 Menschen aus ganz Europa analysiert und deren Verwandtschaftsbeziehungen über die vergangenen 3000 Jahre hochgerechnet. "Es ist bemerkenswert, wie nah jeder mit jedem anderen verwandt ist", sagt Coop. "Auf einer genealogischen Ebene lässt sich jeder Europäer auf fast die gleiche Gruppe von Ahnen zurückführen, die vor nur 1000 Jahren lebten." So ließ sich sogar nachweisen, dass heute in Großbritannien und in der Türkei lebende Menschen gemeinsame Vorfahren aus dieser Zeit haben.

Die neue DNA-Studie bestätigt damit Theorien, die andere Wissenschaftler bereits vor mehr als zehn Jahren aufgestellt hatten. Allerdings zeigen die neuen Daten auch überraschende lokale Besonderheiten. Zwar bedeutet geografische Nähe in der Regel auch eine genetisch engere Beziehung, doch gibt es Ausnahmen: So zeigen viele Briten eine engere Verwandtschaft zu Iren als zu ihren Landsleuten.

In Deutschland haben so manche Einwohner engere Verwandtschaftsbeziehungen zu polnischen Populationen als zu anderen Deutschen. Genetisch etwas mehr isoliert vom Rest des Kontinents sind hingegen die Menschen von der italienischen Halbinsel. Die Bewohner der nordischen Länder und Osteuropas zeigen wiederum höhere Verwandtschaftsgrade. Generell nimmt die genetische Diversität von Norden nach Süden zu.

Vermutlich sind diese lokalen Variationen vor allem Folgen demografischer Verschiebungen und historischer Wanderungsbewegungen, erläutert Studienautor Peter Ralph: "Barrieren wie Bergzüge oder sprachliche Unterschiede haben vermutlich die Beziehungen zwischen den Regionen geschwächt." So lebten in Italien lange Zeit sehr eigenständige Kulturen.

Umgekehrt hätten die von den Hunnen im 4. Jahrhundert ausgelösten Völkerwanderungen und die slawische Migration zwischen dem 6. und 10. Jahrhundert zu einer Durchmischung des Genpools in Osteuropa geführt, die sich noch heute im Erbgut und in den Sprachen der Region zeigt.

© SZ vom 08.05.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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