Erdbeben im Mittelitalien:Italien - Land unter Spannung

Erdbeben im Mittelitalien: Mehr als 240 Menschen starben beim Erdbeben in der Region um Amatrice.

Mehr als 240 Menschen starben beim Erdbeben in der Region um Amatrice.

(Foto: AP)

Das Beben um Amatrice war eigentlich nicht extrem stark. Warum es trotzdem so viel Zerstörung anrichtete und wieso Mittelitalien schon wieder getroffen wurde.

Von Marlene Weiß

Schon wieder wird Mittelitalien von einem schweren Erdbeben heimgesucht, nur sieben Jahre, nachdem heftige Erdstöße die Stadt L'Aquila in den Abruzzen verwüsteten. Dass es ein zweites Mal ausgerechnet Mittelitalien trifft, ist jedoch wohl einfach Pech. Denn eigentlich ist fast ganz Italien erdbebengefährdet.

Das Land liegt in einer geologischen Knautsch- und Zerrzone, in der diverse Kräfte aufeinandertreffen. Afrika schiebt sich Richtung Europa, das Tyrrhenische Meer im Westen öffnet sich, der italienische Stiefel wird gegen den Uhrzeigersinn zum Balkan hin gedreht. Die kleine Adria-Platte schiebt sich im Osten von Italien unter die europäische Platte. Die obere Platte, auf der der Apennin liegt, wird dabei gedehnt. Dehnung aber hält jedes Gestein sehr schlecht aus, viel schlechter als Kompression. Darum bringt sie leicht Erdbeben wie das vom Mittwoch mit sich, dessen Zentrum gerade mal in zehn Kilometern Tiefe lag, fast direkt an der Oberfläche also. Je flacher aber ein Erdbeben ist, desto stärker sind die Erschütterungen, die an der Oberfläche ankommen.

Es macht die Sache nicht besser, dass die Region voller Lockergestein ist, das sich dort über Jahrmillionen aus der Erosion des Apennins angesammelt hat. Bei einem Erdbeben reagiert solch lockeres Gestein ganz anders als solider Fels; es kann die horizontale Beschleunigung noch verstärken. Die aber trifft Gebäude am schwersten. Dehnung und viel Lockergestein zusammen: Das bedeutet Zerstörung.

Auch ein schwächeres Beben reicht dann schon, um schwere Schäden anzurichten. Das Beben vom Mittwoch hatte eine Stärke von 6,0 bis 6,2 - das ist eigentlich nicht viel. Weltweit gibt es von solchen Beben etwa jede Woche drei, die meisten davon sind vergleichsweise harmlos. "So ein Beben kann es in Italien jederzeit geben, an jedem Ort", sagt Marco Bohnhoff, Geologe am Geoforschungszentrum Potsdam. Wahrscheinlich wäre es noch schlimmer gekommen, wenn das Erdbeben eine dichter besiedelte Region getroffen hätte, so wie bei dem Beben 2009 in L'Aquila, bei dem mehr als 300 Menschen starben.

In der Region zerren die Platten weiter aneinander. Das Beben von Amatrice wird an einigen Stellen Spannung abgebaut haben; an anderen Stellen muss sie angestiegen sein. Früher oder später wird das Gestein nachgeben. Klar ist, dass es mit hoher Wahrscheinlichkeit in den kommenden Jahrzehnten weitere schwere Beben geben wird. Nur wann und wo genau - das weiß man nicht.

"Irgendwann würden wir gerne Erdbeben konkret vorhersagen können", sagt Bohnhoff. "Aber vorerst ist der beste Schutz erdbebensicheres Bauen." Schließlich stirbt niemand durch das Erdbeben selbst; es sind die Gebäude, die die Menschen unter sich begraben. Dabei sind die Neubaustandards auch in Italien mittlerweile recht gut. Nur all die alten Bauten genügen ihnen nicht; sie müssten verstärkt werden. Das aber ist teuer.

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