Einsatz von Robotern:Kosmische Puppen

Roboter

Roboterdame AILA auf der CeBIT 2013 in Hannover

(Foto: dpa)

Sie arbeiten unermüdlich, millimetergenau und effektiv: Aus der Produktion sind Roboter in Deutschland nicht mehr wegzudenken. Auch in Privathaushalten sollen Maschinen mehr und mehr Aufgaben erfüllen. Doch das für Menschen einfache, das ist für Roboter am schwersten.

Von Helmut Martin-Jung

Sie sind unter uns. Heben zentnerschwere Autoteile wie nichts, aber trotzdem auf den Millimeter genau an die richtige Stelle. Sie schweißen, sägen, bohren ganz ohne Zigarettenpause und gehören keiner Gewerkschaft an.

Längst schon ist es so, dass man sich große Teile des produzierenden Gewerbes in Deutschland ohne den Einsatz von Robotern vielleicht zwar vorstellen kann; aber bezahlbar wäre es nicht mehr, all diese Tätigkeiten von Menschen ausführen zu lassen.

Doch so allgegenwärtig, so selbstverständlich die maschinellen Helfer in der Industrie ihre Arbeit tun, vom Knecht Eisenhans, der Kartoffelsack und Bierkiste in den Keller schleppt, den Tisch deckt und sich auch sonst im Haushalt nützlich macht, gibt es noch immer höchstens Prototypen. Und die müssen mehr von ihren Erfindern gehätschelt werden, als dass sie ihnen schon assistieren könnten.

Es sind gerade die Dinge, die uns Menschen leichtfallen, über die wir gar nicht nachdenken, die den Maschinen Schwierigkeiten machen. Zum Beispiel die komplexen Muster nachzubilden, mit denen wir es schaffen, uns durch unsere Welt zu bewegen, mal gehend, mal laufend, mal schwimmend - so weit ist die Computertechnik noch lange nicht. Von den intellektuellen Fähigkeiten mal ganz abgesehen.

"Ich bin doch nicht blöd"

Zwar hat ein Computer namens "Watson" Anfang 2011 in einer amerikanischen Quizshow gegen zwei ausgewiesene menschliche Champions gesiegt, doch Watson, das waren zehn Racks, ein jedes davon so groß wie ein Gefrierschrank, und ein Team von 25 Experten hatte die Rechenanlage jahrelang auf diesen Moment vorbereitet. Das alles in eine Maschine zu packen, die etwa so groß ist wie ein Mensch, die auch noch möglichst selbständig agieren sollte, das wird noch für längere Zeit eine Herausforderung bleiben. Eine Herausforderung, die vielleicht anders gelöst wird, als man es sich landläufig vorstellt. Nicht die gesamte Intelligenz muss ja schließlich in der Maschine stecken, es reicht vollkommen, wenn diese je nach Bedarf darauf zugreifen kann.

Der humanoide Assistent, wie immer man ihn dann nennen mag, er wird aber nicht eines Tages urplötzlich aus einem Labor spazieren und sich beim Elektromarkt ins Schaufenster stellen - "Ich bin doch nicht blöd"; der Übergang wird vielmehr unmerklich sein. Denn auch wenn die automatisierte Haushaltshilfe derzeit noch ein Wunschtraum ist, ihre Vorläufer können heute immerhin schon einigermaßen zuverlässig die Wohnung saugen oder den Rasen mähen - zwei Beispiele für Geräte, die sich ein Privathaushalt bereits leisten kann.

Unfall mit autonomen Maschinen

Auch die Technik, die es ermöglicht, Autos autonom fahren zu lassen, ist nahe an der Serienreife, und sei es bloß, um den Wagen an der Einfahrt des Parkhauses abzugeben, in dem der sich dann selbst einen Parkplatz sucht.

Schwieriger, als die technischen Fragen des autonomen Automobils zu lösen, wird es sein darüber zu entscheiden, wer im Falle eines Unfalls haftet: Der Besitzer? Der Hersteller? Der Programmierer? Seit Jahren fordern Forscher wie beispielsweise Noel Sharkey von der Universität Sheffield, dass die Gesellschaft sich damit befassen müsse, wie sie mit solchen Fragen umgehen will. Es wird wohl erst den einen oder anderen Unfall mit autonomen Maschinen brauchen, bis das dann auch wirklich geschieht. Den ersten dokumentierten Todesfall mit einem Industrieroboter gab es 1984 im US-Bundesstaat Michigan. Ein Arbeiter war verbotenerweise in den Sicherheitsbereich der Maschine eingedrungen und wurde zwischen deren Rückseite und einem Pfosten eingeklemmt.

Obwohl solche Geräte in der Moderne erst ab den sechziger Jahren zum Einsatz kamen - programmierbare Maschinen gab es schon in der Antike. Dem griechischen Ingenieur und Mathematiker Heron, der etwa zu Beginn unserer Zeitrechnung lebte, wird unter anderem die Erfindung eines automatisierten Wagens zugeschrieben, der bei Bühnenaufführungen zum Einsatz kam. Den Antrieb besorgten Seile, an denen in Röhren versteckte Gewichte hingen. Je nachdem, wie die Seile um die zweigeteilte Vorderachse gewickelt wurden, bewegte sich der Wagen in die eine oder andere Richtung, er konnte sogar rückwärts fahren.

Auf 10.000 Arbeiter kommen 261 Roboter

In Deutschland verbreiteten sich Roboter erst von den siebziger Jahren an im produzierenden Gewerbe. Dann aber mit Macht: Die Bundesrepublik ist heute nach Südkorea und Japan das Land mit dem höchsten Grad an Automatisierung. Auf 10.000 Arbeiter kommen 261 Roboter, in Südkorea sind es 347, der Weltdurchschnitt dagegen liegt bei nur 55. Der Grund dafür ist einfach: Im Vergleich zu anderen Ländern ist das Lohnniveau in Deutschland so hoch, dass nur Automatisierung verhindern kann, die Produktion dorthin zu verlagern, wo die Lohnkosten niedriger sind. In den hierzulande entstehenden Geisterfabriken trifft man kaum noch Menschen an. Sie werden nur noch gebraucht, wenn eine der Maschinen ausfällt.

Die diffizilen Handgriffe, die nötig sind, um ein Smartphone zusammenzubauen, werden es zwar noch lange nötig machen, dass Menschen am Fließband arbeiten. Sogar der taiwanische Auftragsfertiger Foxconn hat aber inzwischen in seinen Fabriken auf dem chinesischen Festland, in denen etwa 1,2 Millionen Menschen iPhones und andere Geräte herstellen, Roboter installiert - eine Million sogenannte Foxbots sollen bis 2014 aufgestellt werden.

Der gewaltige Aufstieg der immer autonomer handelnden Maschinen wurde erst durch die rasante Entwicklung der Elektronik möglich. Auf Siliziumplättchen so klein wie ein Fingernagel lassen sich heute Milliarden Transistoren unterbringen. Damit rührt man allmählich an die Grenzen der Physik, aber die Forscher sind zuversichtlich, dass die Entwicklung immer schnellerer und kleinerer Chips weitergehen wird.

Drastische Steigerung der technischen Evolution

Einige, zum Beispiel der amerikanische Futurologe Ray Kurzweil, sind daher der Ansicht, dass der Zeitpunkt näherrückt, an dem es zur technologischen Singularität kommt: Vom Menschen erfundene intelligente Maschinen, so die Theorie, seien dann aufgrund ihrer überlegenen Intelligenz in der Lage, ihre eigene Weiterentwicklung selbst in die Hand zu nehmen. Die Folge sei eine weitere, drastische Steigerung der technischen Evolution, die den Menschen weit hinter sich lässt.

Die Probleme, die die Robotik-Forscher heute zu lösen haben, sind davon aber noch weit entfernt. Mit einem Computer die Leistung biologischer Hirne zu simulieren, die eine Unzahl von Muskeln steuern, bloß um das Gleichgewicht zu halten, das ist eine Aufgabe, die höchstens in Ansätzen gelöst ist. Weil es so schwierig ist, sich auf zwei Beinen fortzubewegen, ohne dabei hinzufallen, setzen viele Entwickler auf vierbeinige Geräte. Am Massachusetts Institute of Technology beispielsweise arbeiten Forscher an einem Roboter, der einem Geparden nachempfunden ist. Eine seiner Besonderheiten: Anstatt die Vibrationen, die beim Laufen entstehen, wie üblich mit Dämpfern abzufangen, werden sie beim Robo-Geparden dazu eingesetzt, Energie zurückzugewinnen.

Angst vor den Maschinen

Der Energieverbrauch ist bei allen Robotern ein Problem. Da sie ihre Energievorräte mitschleppen müssen, laufen sie nicht lange - aber ein Rettungsroboter, dem mitten im Einsatz der Saft ausgeht, nützt niemandem. Daher experimentieren die Ingenieure mit vielen unterschiedlichen Ideen, um die Fortbewegung effektiver zu gestalten. Forscher am Illinois Institute of Technology haben beispielsweise einen Quadcopter entwickelt, also einen ferngesteuerten Minihubschrauber mit vier Rotoren, der nicht bloß fliegt, sondern auch am Boden entlangrollen kann. Beim Rollen verbraucht das Hytaq genannte Gerät weniger Energie und ist somit länger einsetzbar.

Chimp, ein Projekt der Carnegie Mellon University, kann sich zwar zum Zweibeiner aufrichten, fortbewegen soll es sich allerdings auf seinen vier Extremitäten, an deren Enden Ketten ähnlich wie bei einer Planierraupe angebracht sind. Damit, so die Planung, kann der künstliche Schimpanse sogar Leitern hochklettern. Auch in Deutschland wird an dem Thema viel geforscht, die Bandbreite reicht von Service-Robotern bis hin zu Maschinen, die Astronauten assistieren sollen.

Auch versucht man zu ergründen, wie man Menschen die Angst vor den Maschinen nehmen kann - die alternde Gesellschaft wird eher mehr als weniger Technik brauchen. So viel an der Angst auch unbegründet sein mag, eine Befürchtung ist gerechtfertigt: Wie bei jeder neuen Technik werden viele Probleme erst offenkundig werden, wenn sie längst eingeführt ist.

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