Am Anfang ist eine Tupperbox. "Wir sind außer uns", sagt Brendan Foley, ein Unterwasser-Archäologe aus Massachusetts, der den Fall untersucht. Die Ware in der Plastikkiste, die Taucher an die Wasseroberfläche bringen: Knochen einer vermutlich 2000 Jahre alten Leiche, vergraben unter Töpfen und Sand, gefunden im weltberühmten Schiffswrack vor der griechischen Insel Antikythera.
In dem Schiff, das im Jahr 1900 von Schwammtauchern entdeckt wurde, konnten Forscher einst eine Art antike astronomische Rechenmaschine bergen, fortan als "Mechanismus von Antikythera" bezeichnet. Das nun entdeckte Skelett hingegen ist weniger ausgeklügelt in seinem System, dennoch von hohem Wert. Taucher konnten Teile eines Schädels mit drei Zähnen bergen, zudem zwei Armknochen, einigen Rippenteilen und zwei Oberschenkelknochen - alle offenbar von derselben Person, wie die Forscher auf Nature News berichten.
DNA sollen Hinweise über Alter und Geschlecht liefern
Wie alt die Überreste wirklich sind und welches Geschlecht der Mensch hatte, sollen nun DNA-Proben verraten - sofern es den Forschern gelingt, diese aus dem Material zu gewinnen. Die Archäologen hoffen, zum ersten Mal DNA von einer Person analysieren zu können, die zwei Jahrtausende lang im Wasser lag. Die Analyse könnte zudem Aufschluss über die Herkunft des Toten sowie Haar- und Augenfarbe geben. Dem Knochenbau zufolge vermuten Foley und seine Kollegen, dass es sich um einen jungen Mann handelt.
Tatsächlich ist es äußerst selten, ältere Leichen von Schiffbrüchigen zu finden, weil diese in der Regel verwesen, weggespült oder von Fischen gefressen werden. Doch das Wrack vor Antikythera scheint eine Besonderheit zu sein: Bereits in den 70er Jahren haben Taucher einzelne Knochen entdeckt, die von mindestens vier verschiedenen Menschen stammen. Die zahlreichen Skelettfunde veranlassen Foley und seine Kollegen zu der These, dass das wahrscheinlich im 1. Jahrhundert v. Chr. gebaute Schiff viele Menschen an Bord hatte, die möglicherweise Sklaven waren. Dafür sprechen Eisenspuren an den Knochen, die von Ketten stammen könnten. Womöglich geriet das Schiff in Seenot und sank schnell. Die Menschen unter Deck waren - so die Theorie - gefangen.
Die jetzt gefundene Leiche haben die Forscher übrigens Pamphilos getauft, nach einem Namen, der in einen im Wrack gefundenen Weinbecher eingeritzt wurde. "Die Gedanken beginnen zu kreisen", sagt Hannes Schrøder, ein Experte für die Analyse antiker DNA vom Naturhistorischen Museum in Kopenhagen. "Wer waren diese Menschen, die das Mittelmeer vor 2000 Jahren überquert haben? Vielleicht war einer von ihnen der Astronom, dem der Mechanismus gehörte?" Die DNA wird es nicht verraten - doch wer weiß, was in dem Wrack noch alles verborgen ist.