Zukunft des Versandhauses:Nervenkrieg um Quelle

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Dem insolventen Versandhändler Quelle geht es offenbar schlechter als bisher angenommen.

C. Hulverscheidt, K. Stroh, U. Ritzer u. M. Szymanski

Eine vom Unternehmen beantragte Bürgschaft für Kredite in Höhe von 50 Millionen Euro hatte nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums vom Mittwoch nur noch "wenig Aussicht auf Erfolg". Wie aus Verhandlungskreisen verlautete, sei das Ausfallrisiko viel zu hoch. Quelle braucht das Geld vor allem, um seinen Katalog für das Herbst- und Wintergeschäft drucken und ausliefern lassen zu können. Stattdessen wollen der Bund sowie die Länder Bayern und Sachsen Quelle nun mit einem so genannten Massekredit in Höhe von 50 Millionen Euro aushelfen. Sollte die geplante Sanierung scheitern, muss dieser Kredit vorrangig bedient werden. Ein Massekredit birgt für die öffentliche Hand weniger Risiken in sich als eine Bürgschaft.

Quelle in Not: Keine Bürgschaft, aber ein Massekredit - so will das Unternehmen die Zukunft anpacken. (Foto: Foto: AP)

Am Mittwochnachmittag kam in Berlin abermals der Bürgschaftsausschuss mit Vertretern aus Bund und Ländern zusammen, um über das weitere Vorgehen zu beraten. Bayerns Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP) sagte der Süddeutschen Zeitung: "Ein Massekredit ist sicher eine denkbare Lösung. Das Ausfallrisiko ist überschaubarer." Den Planungen zufolge könnte der Kredit über die staatliche Förderbank KfW und die Landesförderbank Bayern gewährt werden. Bayern werde 21 Millionen Euro beisteuern, den Rest würden Bund und das Land Sachsen tragen, teilte das Wirtschaftsministerium in Bayern mit. Sachsens Wirtschaftsminister Thomas Jurk (SPD) sagte, sein Land werde sich beteiligen.

Nach Darstellung von Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) hat auch der Freistaat Bayern eine Bürgschaft für die in Fürth ansässige Firma zuletzt abgelehnt. An den Beratungen des Bürgschaftsausschusses am Montag wie auch am Mittwoch nahm jeweils auch ein Beamter des bayerischen Finanzministeriums teil. "Man hatte kein Vertrauen mehr", heißt es in bayerischen Regierungskreisen. Derzeit sei nicht einmal eine Prognose über die Zukunft von Quelle über das kommende halbe Jahr hinaus möglich, weshalb der Bund eine Bürgschaft äußerst skeptisch sieht. Als Grund für die Ablehnung des Quelle-Antrags nannte Finanzminister Steinbrück, das Unternehmen sei "überschuldet".

Mit Hilfe des Massekredites soll Quelle nun zumindest die Chance bekommen, die Rechnung für die Produktion und den Versand des Quelle-Kataloges bezahlen zu können. "Noch läuft der Druck", sagte ein Sprecher der Druckerei Prinovis. Das Unternehmen hatte einen Druckstopp nicht ausgeschlossen, wenn es nicht bald eine verbindliche Zusage zur Übernahme der Produktionskosten erhält. Um den Katalog fertigzustellen, sind noch mehrere Tage nötig.

Weiteres Geld erforderlich

Für das laufende Geschäft braucht Quelle aber weiteres Geld - jeden Monat 100 Millionen Euro. Ungeachtet der Probleme mit der Bundesbürgschaft laufen Verhandlungen mit der Quelle-Hausbank Valovis, der Landesbank BayernLB sowie der Commerzbank über neue Kredite in Höhe von 300 Millionen Euro. "Das ist weiter aktuell", heißt es im Wirtschaftsministerium in München.

Marc Oliver Sommer, Vorstandsmitglied beim Quelle-Mutterkonzern Arcandor, lobte unterdessen in einem Interview der Zeit die Fortschritte bei der Sanierung des Versandhauses. Quelle verbrenne kein Geld mehr, sagte er. Lediglich Abschreibungen auf alte Forderungen hätten das Ergebnis zuletzt ins Minus gedrückt. "Wir sind dort seit Oktober 2008 Cashflow positiv", sagte der Manager.

Bei Quelle in Fürth und an den anderen Standorten des Versandhauskonzerns wurde mit großer Spannung der Entscheidung in Berlin entgegen gesehen. "Das ist ein Nervenkrieg und dementsprechend sind hier alle Mitarbeiter sehr angespannt", sagte ein Sprecher. Trotz Steinbrücks klarem Nein zu einer Staatsbürgschaft glaubt man in Fürth durchaus "positive Signale aus der Politik" zu empfangen, sagte eine mit den Verhandlungen vertraute Person noch vor der Entscheidung über einen etwaigen Massekredit. Es sei der allgemeine Wille zu spüren, "Quelle nicht in den Abgrund stürzen zu lassen". Man warte nur auf ein Signal aus Berlin; außerdem gehe es ja "nur" um eine Lösung, die dem Unternehmen für die kommenden Monate Perspektiven aufzeige.

Auch Quelle-Betriebsratschefin Beate Ulonska ließ sich vom Nein des Finanzministers ihre Zuversicht nicht nehmen. Von Anfang an habe man mehrgleisig geplant und daher auch Alternativen zu einer reinen Staatsbürgschaft verfolgt, so die Arbeitnehmervertreterin. Deswegen sei man weder überrascht, noch unvorbereitet vom Nein des Ministers überrumpelt worden. Die Arcandor-Tochter Quelle musste am 9. Juni zusammen mit dem Konzern Insolvenz anmelden. In Bayern sind 6000 Jobs bedroht, in Sachsen 1000 Arbeitsplätze.

© SZ vom 25.06.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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