Zinsmanipulationen:Ermittlungen setzen Bankenchefs unter Druck

Lesezeit: 2 min

Die britische Großbank Barclays zahlte bereits eine halbe Milliarde Dollar Strafe wegen Zinsmanipulation. Doch damit scheint der Fall für Bank-Chef Bob Diamond nicht erledigt zu sein: Die Rücktrittsforderungen werden lauter. Zahlreiche weitere Banken stehen im Visier der Ermittler - darunter auch die Deutsche Bank.

In den Chefetagen einiger Großbanken geht die Angst um. Grund sind die weltweiten Untersuchungen wegen Zinsmanipulation. Der britische Finanzminister George Osborne drohte allen betroffenen Managern mit strafrechtlichen Ermittlungen. Nach der Ankündigung wuchs am Börsenparkett die Sorge, dass es zahlreichen Bankvorständen an den Kragen gehen könnte. Finanzaktien brachen auf breiter Front ein: Papiere der Deutschen Bank, die ebenfalls Gegenstand der Untersuchungen ist, sackten um fünf Prozent ein, britische Banktitel sogar um mehr als zehn Prozent.

Im Visier hat die Londoner Regierung vor allem die heimische Großbank Barclays, die am Mittwoch mit den US-amerikanischen und britischen Behörden einen Vergleich über knapp eine halbe Milliarde Dollar geschlossen hat. "Der Barclays-Chef muss noch einige sehr ernste Fragen beantworten: Was wusste er, was wusste er nicht? Wer wusste im Management Bescheid? Wer ist somit verantwortlich?", sagte Osborne. "Barclays war aber nicht alleine, die Finanzaufsicht FSA überprüft noch eine Vielzahl anderer Institute." Auch eine Sprecherin von Premierminister David Cameron kündigte an, die strafrechtlichen Verantwortlichkeiten der einzelnen Beteiligten würden noch diskutiert.

Bei den Manipulationsvorwürfen geht es um den Interbanken-Zinssatz Libor. Er bildet den Zins ab, zu dem sich Banken untereinander kurzfristig Geld leihen. Der Libor wird täglich in London festgelegt und dient als Referenz für Kredite von Privatleuten und Unternehmen, Derivate sowie andere Finanzprodukte im Gesamtvolumen von 360 Billionen Dollar. Er basiert auf den Daten mehrerer Großbanken, die diese täglich abliefern.

Den Instituten wird nun vorgeworfen, dass sie von 2005 bis 2009 absichtlich falsche Angaben gemacht haben, um die eigenen Handelsgewinne in die Höhe zu treiben und die wahren Refinanzierungskosten zu verschleiern. Als Folge der Untersuchungen hat auch das Vertrauen in den Libor-Satz stark gelitten. Experten halten es daher für wahrscheinlich, dass das System zur Ermittlung des Zinssatzes geändert wird.

"Ist gebongt, mein Großer."

Die Untersuchungen gegen die Banken laufen seit Monaten - unter anderem in den USA, Großbritannien und der Schweiz. Bei Barclays fanden die Ermittler anhand zahlreicher E-Mails von Mitarbeitern mutmaßliche Belege für Manipulationen. In einer Mail bat ein Händler einen Kollegen darum, einen möglichst niedrigen Zinssatz für die Libor-Festlegung weiterzugeben, woraufhin dieser antwortete: "Ist gebongt...für Dich, mein Großer." Barclays-Chef Bob Diamond, der zu der Zeit das Kapitalmarktgeschäft verantwortet hat, räumte ein, dass der Fall das Vertrauen in die Bank erschüttere. Er und andere Manager des Instituts würden daher in diesem Jahr auf Boni verzichten.

Mehrere britische Politiker und Wirtschaftsexperten forderten Diamond offen auf, seinen Hut zu nehmen. "Wenn der Barclays-Aufsichtsrat auch nur ein bisschen Rückgrat hat, dann werfen sie ihn raus", sagte der liberaldemokratische Finanzexperte Lord Matthew Oakeshott. Premierminister David Cameron sagte, die Verantwortlichen müssten zeigen, dass sie bereit sind, für ihre Taten einzustehen. "Es ist wichtig, dass das bis in die Spitze dieser Organisation geht", fügte er hinzu. Der sozialdemokratische Abgeordnete Tony Baldry sagte, der Barclays-Skandal sollte "als Weckruf für jeden einzelnen und jede Institution in der City of London dienen". "Was wir hier sehen ist Straßenräuberei", fügte er hinzu. Es gebe eine Kultur nach dem Motto "alles geht und keiner weiß was".

Die Aktien der Bank brachen am Donnerstag um bis zu 17 Prozent ein. Der Vergleich von Barclays mit den Behörden erhöht den Druck auf andere Institute wie Deutsche Bank, UBS, Citigroup, HSBC, sich ebenfalls zu einigen. Dafür gibt es aber bislang keine Anzeichen. Sie äußern sich nicht dazu. Die Schweizer Kartellbehörde Comco kündigte unterdessen an, die Untersuchungen gegen insgesamt zwölf Großbanken dauerten voraussichtlich noch weitere zwei Jahre. Eine Sprecherin der EU-Kommission betonte, die Behörde schaue sich die weltweiten Untersuchungen genau an. Es gebe die Sorge, dass einige Banken gegen Kartellrecht verstoßen hätten. "Wir räumen dem hohe Priorität ein."

© Süddeutsche.de/sibi/reuters/dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: