Zalando-Aktien:Lust auf Börse

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Momentaufnahme am Tag des Börsengangs von Zalando: Schuheverkaufen auf dem Frankfurter Parkett (Foto: Bloomberg)

Mit Böllerschüssen und einem Zalando-Schrei vom Band geht der Online-Modehändler in Frankfurt an die Börse. Und löst bei Anlegern aus, was auf dem nüchternen Parkett zur Seltenheit geworden ist: Anflüge von Euphorie.

Von Harald Freiberger

Robert Halver, Kapitalmarkt-Analyst der Baader-Bank, geht seit 1995 an der Frankfurter Börse ein und aus. Aber einen solchen Auflauf hat er lange nicht mehr erlebt. Genau genommen seit dem 13. März 2000. Damals ging der Halbleiterhersteller Infineon an die Börse. Sein Chef Ulrich Schumacher fuhr im silbernen Rennanzug mit dem Porsche vor. Ganz so flamboyant geht es diesmal nicht zu. "Die Frankfurter Börse ist nüchtern geworden", sagt Halver. "Man verzichtet auf Lametta." Aber ein historischer Tag ist dieser 1. Oktober 2014 irgendwie schon. Es ist so, als hätten die Deutschen mit dem Börsengang von Zalando nach mehr als zehn Jahren Agonie wieder etwas Mut zur Aktie gefasst.

Der Internet-Versender hat den Platz vor der Börse und den Handelssaal mit Tausenden seiner schwarz-weißen Päckchen dekoriert. Schaufensterpuppen tragen die aktuelle Herbstkollektion. Auch echte Models laufen zwischen den kreisrunden Maklerschranken umher, die man aus dem Börsenfernsehen kennt. An normalen Tagen ist das Parkett fast leer. Der Aktienhandel läuft ja längst über den Computer. Das Parkett dient nur noch als Staffage.

Doch heute fühlt sich Halver an frühere Zeiten erinnert, als Händler und Makler wild durcheinander liefen. Mehr als 100 Kameraleute und Journalisten bevölkern den Handelssaal. Ihre Blicke richten sich nach vorne, wo unter der Dax-Anzeigetafel Zalando-Chef Rubin Ritter und Börsen-Chef Reto Francioni stehen.

Es ist 9 Uhr, eigentlich soll jetzt der erste Kurs von Zalando bekannt gegeben werden. Doch es dauert. "Das ist ja wie bei der Bundestagswahl vor der ersten Hochrechnung", kommentiert Halver. Es komme darauf an, einen gerechten Preis zu finden. Ist der zu niedrig, wären die Investoren enttäuscht, die die Aktie für 21,50 Euro gezeichnet haben. Ist er zu hoch, wäre es schlecht für das Unternehmen, weil man beim Börsengang viel mehr hätte erlösen können. Und schließlich soll der Kurs auch noch Luft nach oben haben, wenn die Aktie gehandelt wird. "Zalando will ja noch mehr Aktien auf den Markt bringen, da darf man keine verbrannte Erde hinterlassen", sagt Halver.

Ein junger Mann in Turnschuhen - der Chef?

Zunächst taucht auf der Anzeigetafel aber noch kein Kurs auf, sondern nur eine Spanne: 24 bis 27 Euro. "Dazwischen wird der erste Kurs wahrscheinlich liegen", sagt Halver. Was nicht schlecht wäre. 20 Minuten lang ist nur diese Spanne zu sehen. Bei den Zuschauern wächst die Spannung.

Dann, um 9.22 Uhr, ist ein lauter Schrei zu hören. Es ist der Schrei, den man aus der Zalando-Werbung kennt. Gleich danach ertönen 20 Böllerschüsse. Zalando-Helfer schießen Konfetti in die Luft, der Regen ergießt sich auf Croissants und Fruchtsalat. Die Journalisten sind erst einmal damit beschäftigt, sich Konfetti aus dem Haar und von den Kleidern zu schütteln und übersehen fast, dass da der erste Kurs auf der Tafel steht: 24,10 Euro. "Nicht schlecht", sagt Halver. Damit hätten die Erstzeichner schon einmal mehr als zehn Prozent Plus gemacht.

Ein Kameramann schüttet in der Hektik mehrere Sektgläser um. Auf dem Boden vermischt sich der Sekt mit dem Konfetti. Eine Serviererin ruft nach Reinigungskräften. "Scherben bringen Glück", sagt Halver trocken. Im Übrigen rät er zu Nüchternheit. "Man sollte den Börsengang weder zu euphorisch noch zu miesepetrig sehen", sagt er.

Es sei eine Vertrauen bildende Maßnahme, dass die Alteigentümer alle ihre Aktien behalten. Privatanleger seien vorab ohnehin kaum zum Zuge gekommen, und wenn er manchen skeptischen Kommentar lese, könne er nur sagen: "Niemand ist gezwungen, die Aktie zu kaufen." Wer jetzt in diesem guten Börsenklima aber immer noch einen weiten Bogen um die Börse mache, der werde wohl nie mehr zum Aktienfreund werden, meint er.

"Das ist so, wie wenn ein Metzger von Tofu redet." Was er schade findet, schließlich sind Aktien nach seiner Überzeugung ein wichtiger Baustein für die Altersvorsorge. Zalando habe zumindest einen kleinen Beitrag geleistet, dass das Thema wieder positiver gesehen wird. Das gilt auch, obwohl die Aktie erst einmal Achterbahn fährt: Der Kurs rutscht fast auf den Ausgabepreis von 21,50 Euro ab, um bis Mittag wieder auf 22,60 Euro zu steigen.

Wenig später läuft Börsen-Chef Francioni vorbei. Hinter ihm geht ein junger Mann mit Turnschuhen her, das Hemd hängt ihm aus der Hose. "Ist das der Chef?", fragt ein Journalist den anderen. "Ja", gibt der zurück. Der junge Mann heißt Rubin Ritter, ist 30 Jahre alt, und an diesem Tag auf dem Papier um gut 50 Millionen Euro reicher geworden. So viel sind seine Anteile wert, wenn man sie mit dem ersten Kurs multipliziert.

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