Wohngeld:In der Warteschleife

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Vor allem Rentner beziehen die staatliche Unterstützung. Doch die wird nicht regelmäßig an die steigenden Kosten angepasst. Bis zur nächsten Reform können Jahre vergehen.

Von Thomas Öchsner, München

Manche haben noch nie davon gehört, andere trauen sich nicht, das Geld zu beantragen: In Deutschland zahlt der Staat an Haushalte von Geringverdienern Wohngeld, damit diese sich einen für sie angemessenen Raum zum Leben leisten können. Mehr als 1,1 Milliarden Euro haben Bund und Länder 2016 für diese eher weniger bekannte sozialpolitische Leistung ausgegeben. Durchschnittlich 157 Euro im Monat kamen nach Angaben des Statistischen Bundesamtes so bei einem Haushalt an, in dem alle Mitglieder Anspruch auf Wohngeld haben. Ein genauer Blick auf die Zahlen der Wiesbadener Statistiker zeigt nun: Vor allem Rentner erhalten zunehmend Wohngeld, und die mussten trotz gestiegener Mieten lange warten, bis es mehr Geld gibt.

2016 besserte die Bundesregierung nach und berücksichtigte bei der Berechnung des Wohngelds den Anstieg der Kaltmieten und der warmen Nebenkosten. Die Zahl der reinen Wohngeld-Haushalte erhöhte sich dadurch von 419 000 Ende 2015 auf gut 595 000 im vergangenen Jahr, ein Plus von 42 Prozent.

Besonders deutlich war der Anstieg bei den Rentnern: Fast jeder zweite Wohngeld-Haushalt ist mittlerweile ein Rentner-Haushalt. Ihre Zahl wuchs binnen eines Jahres um 63 Prozent auf gut 290 000 Haushalte bei einem durchschnittlichen Einkommen von 730 Euro im Monat. Die meisten dieser Rentner leben allein, fast zwei Drittel von ihnen sind Frauen. Nun profitieren die Rentner einerseits vom Wohngeld. Einigen Zehntausend ist es so sogar gelungen, 2016 aus der staatlichen Grundsicherung im Alter, sozusagen das Hartz IV für Senioren, herauszukommen. Gleichzeitig sind Rentner als die Hauptprofiteure des Wohngelds aber am stärksten davon betroffen, dass Bund und Länder die Leistung nicht regelmäßig an die Entwicklung von Mieten und Einkommen anpassen.

2016 gab es eine Anpassung, davor passierte lange Zeit nichts

Das kritisiert der Deutsche Mieterbund (DMB) schon lange. Auch der rentenpolitische Sprecher der Linken, Matthias Birkwald, fordert das Wohngeld jährlich an die tatsächliche Entwicklung von Mieten und Mietnebenkosten anzugleichen. Rentner hätten wenig Möglichkeiten, ihr Einkommen zu verbessern. "Deshalb treffen sie Mieterhöhungen und steigende Nebenkosten besonders hart", sagt Birkwald. Der starke Anstieg bei der Zahl der Wohngeld-Haushalte zeige, wie überfällig die Reform "nach sieben Jahren Nichtstun" gewesen sei. Der Abgeordnete spielt damit darauf an, dass die Bundesregierung vor 2016 zuletzt 2009 beim Wohngeld nachbesserte. Damals stieg die Zahl der Empfänger-Haushalte sogar auf mehr als eine Million, um danach bis zur nächsten Anpassung stetig abzunehmen. Genau das könnte in den nächsten Jahren wieder passieren.

Die Bundesregierung hat sich dazu verpflichtet, "die Höchstbeträge für Miete und Belastung und die Höhe des Wohngelds alle zwei Jahre zu prüfen". Und weiter heißt es im Wohngeldbericht der Bundesregierung: "Durch Einkommenssteigerungen, die nur die Inflationsrate ausgleichen wie auch durch inflationsbedingt steigende Preise und Mieten verliert das Wohngeld real an Wert". Dadurch könnten "Haushalte aus dem Leistungsbezug fallen, obwohl ihre Wohnkostenbelastung gestiegen ist".

Doch zieht die Regierung daraus rechtzeitig Konsequenzen? Der Mieterbund befürchtet, dass die nächste Prüfung im Herbst 2020 sein wird. Die nächste Reform werde daher wohl erst 2022 in Kraft treten. Bis dahin seien "wieder einmal sechs bis sieben Jahre seit der letzten Wohngeldreform vergangen, und mindestens 350 000 Haushalte haben ihre Wohngeldansprüche verloren".

© SZ vom 16.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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