Wirtschaftsnobelpreisträger Shiller:Weg von Google, auf zu Goldman Sachs

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Mit seiner Vision einer neuen Arbeitswelt kommt Google bei den Jungen an - und steht weltweit auf Platz Eins der beliebtesten Arbeitgeber. Doch Wirtschaftsnobelpreisträger Robert Shiller rät: Absolventen sollten doch lieber zur Investmentbank Goldman Sachs gehen. Aus moralischen Gründen.

Von Pia Ratzesberger

Alle wollen zu Google. Der Internetkonzern aus Kalifornien ist der beliebteste Arbeitgeber der Welt. Wenn es sich die Wirtschaftswissenschaftler und Ingenieure der global größten Volkswirtschaften aussuchen könnten, hätten sie am liebsten Larry Page zum Chef - zu diesem Ergebnis kommt zumindest eine aktuelle Studie der Beratungsgesellschaft Universum Communications.

Doch Robert Shiller, einer der drei Nobelpreisträger dieses Jahres und Professor an der Universität Yale, hält von solchen Ambitionen wenig: Wer es zu Google schaffe, könne dort doch nur kleine Gimmicks produzieren, sagte der 67-Jährige jetzt geradezu abfällig auf einer Veranstaltung der britischen Zeitschrift The Economist, berichtet das Wirtschaftsblog Business Insider. Und er hat auch schon einen alternativen Vorschlag: Goldman Sachs. Wer sich mit Finanzen beschäftige, "lerne in seinem Studium wie er Dinge in großem Maßstab passieren lasse, auf langfristige Zeit gesehen." Hochschulabsolventen könnten dieses Wissen bei einer Investmentbank wie Goldman sehr viel besser umsetzen als bei Google, sagt Shiller.

Seiner Aussage, dass es bei der New Yorker Bank um "Dinge in großem Maßstab" geht, würde wohl niemand widersprechen. Nur die Ehrgeizigsten schaffen es in den Glasbau der renommierten Investmentbank an der Wall Street. Die Arbeitsbedingungen bei Goldman stehen immer wieder in der Kritik, erst kürzlich kündigte das Finanzhaus an, eine Fünf-Tage-Woche einzuführen - und so die immense Arbeit am Wochenende einzudämmen. In den vergangenen Jahren ist Goldman Sachs zum Symbol geworden für exzessive Spekulationen und radikale Gewinnmaximierung.

Umso erstaunlicher erscheint das Argument, mit dem Shiller jungen Studenten nun Goldman anpreist: Absolventen die "moralische Ziele" verfolgen, sollten seiner Meinung nach zu der Bank gehen. "Alles menschliche Tun muss finanziert werden. Du kannst gute Dinge nicht ganz allein tun", so seine Begründung weiter.

Für Vivek Wadhwa, seinerseits Vize-Präsident für Innovation und Forschung an der amerikanischen Singularity Universität und ebenfalls Redner auf der Veranstaltung des Economist, ist das alles andere als schlüssig. Er widerspricht Shiller vehement: Google hätte doch schon jetzt gewaltige Forschungsmöglichkeiten und bahnbrechende Technologie geschaffen - zum Beispiel mit seinen fahrerlosen Autos. "Du würdest deine Kinder also lieber losschicken, um das Finanzsystem anzuheizen, es zu manipulieren und noch mehr Blasen zu schaffen? Noch mehr Blasen für die du, mein geschätzter Freund, so berühmt bist? Oder würdest du sie lieber die Welt retten lassen?", fragte er ungläubig. Er könne es nicht einmal glauben, dass er diese Debatte überhaupt mit einem Nobelpreisgewinner führe.

"Dr. Doom"

Robert Shiller ist für eben diese Blasen, auf die ihn Wadhwa ansprach, berühmt. Der Ökonom kündigte die "Housing Bubble", die 2007 in den USA zuerst zur Subprime-Krise und schließlich zur weltweiten Finanzkrise führte, schon Jahre vorher an. Viele nahmen ihn zu diesem Zeitpunkt nicht ernst, nannten ihn "Dr. Doom". Also "Dr. Untergang". Shiller entwickelte den "Case-Shiller-Index", der die Preisentwicklung am amerikanischen Immobilienmarkt widerspiegelt, beschäftigt sich in seinen Arbeiten mit der angeblichen Effizienz der Finanzmärkte.

Denn Shiller widerspricht einem der anderen Wirtschaftsnobelpreisträger dieses Jahres grundsätzlich: Er geht davon aus, dass die Menschen an den Finanzmärkten nicht rational handeln. Sein Kollege Eugene Fama dagegen hat die Effizienzmarkthypothese begründet, die besagt, dass eben dies der Fall ist. Für Shiller ist das nichts geringeres als "der größte Irrtum in der Geschichte ökonomischen Denkens".

Er bringt die Psychologie in die Ökonomie, weg vom Homo Oeconomicus: Seiner Meinung nach lassen sich die Anleger durchaus von Gefühlen leiten, von einem "irrationalen Überschwang". Gerade in Boom-Zeiten siege die Gier über das rationale Handeln, zu anderen Zeiten sei es die Angst. Anleger neigen dann dazu, mit der Masse zu gehen - weg von den eigentlichen vorhandenen Fakten. Das Ergebnis: Immer wieder entstehen Blasen, zyklisch.

Dass der Wirtschaftsnobelpreis neben einem dritten Kollegen, Lars Peter Hansen, im Oktober dieses Jahres sowohl an Fama als auch an Shiller ging, kommentierte die britische Financial Times treffend mit den Worten: Das sei so, wie wenn man Ptolemäus und Kopernikus gemeinsam einen Physik-Preis verleihen würde. Der eine ist sich sicher, dass die Welt der Mittelpunkt des Universums ist. Der andere glaubt an das genaue Gegenteil.

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