VW ohne Verantwortung:Höllensturz eines Weltkonzerns

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Einen solchen Ruf- und Reputationsverlust wie jetzt bei VW hat es kaum je gegeben. (Foto: Bloomberg)

Der Rücktritt Winterkorns ist Teil des VW-Sturzes. Aber er erklärt und klärt noch nichts. Wertvolle Autos baut man nur, wenn in einem Unternehmen Werte gelten.

Ein Kommentar von Heribert Prantl

Es wird einem schwindlig bei den Nachrichten über den globalen Großschwindel von VW. Es wird einem schlecht angesichts der Folgen, die dieser Betrug haben wird. Die strafrechtlichen Konsequenzen dieses Falles werden, verglichen mit den wirtschaftlichen, heftig und doch vergleichsweise harmlos sein - weil es einen solchen Ruf- und Reputationsverlust, weil es einen solchen Höllensturz eines Weltkonzerns kaum je gegeben hat.

Der Rücktritt Martin Winterkorns ist Teil des VW-Höllensturzes: Dieser Rücktritt war notwendig; aber er klärt und erklärt noch gar nichts. Der Zurückgetretene ist sich keiner Schuld bewusst. Das ist eine befremdliche Einlassung: Er war Vorstandschef, verantwortlich für das, was er getan und auch für das, was er - zum Beispiel bei der Kontrolle - unterlassen hat.

Die strafrechtliche Terminologie macht anschaulich, was hinter der seriösen VW-Fassade verbrochen wurde: Zu ermitteln ist ein besonders schwerer Fall des fortgesetzten Betrugs; er ist in Deutschland bedroht mit Haft bis zu zehn Jahren. Ein solch besonders schwerer Fall liegt zum Beispiel vor, wenn der Täter entweder "gewerbsmäßig" oder als "Mitglied einer Bande" handelt oder andere "in wirtschaftliche Not bringt". Jedes dieser Tatbestandsmerkmale lässt einen zusammenzucken. Ein Rücktritt ist kein strafrechtliches Schuldeingeständnis. Es muss ermittelt werden, wer im VW-Management die Manipulationen zu verantworten hat. Im US-Strafrecht kann man das Unternehmen als solches packen; im deutschen Strafrecht muss man einen persönlich Verantwortlichen finden.

Vor zehn Jahren war das einigermaßen einfach: In der damaligen VW-Korruptionsaffäre musste herausgefunden werden, wer aus dem VW-Management einzelne Betriebsräte mit Geld, Luxusreisen und Prostituierten bestochen hatte. Verurteilt wurde dann unter anderem der Personalvorstand Peter Hartz, zu zwei Jahren Haft auf Bewährung und einer Geldzahlung von einer guten halben Million Euro. Zuvor hatte der VW-Aufsichtsrat sich einstimmig und einvernehmlich von Hartz getrennt.

Wertvolle Autos baut man nur, wenn im Unternehmen Werte gelten

Der VW-Aufsichtsrat würde heute lieber drei Dutzend solche Sex- und Korruptionsaffären gleichzeitig durchstehen als diesen einen Abgas-Skandal. Es geht um Verantwortung. In "Verantwortung" steckt das Wort "Antwort". Hätte der Aufsichtsrat den Vorstandschef Winterkorn im Amt belassen, hätte er sich womöglich selber haftbar gemacht. Verantwortung heißt: Rechenschaft ablegen - gegenüber den Anteilseignern, den Arbeitnehmern und der Gesellschaft.

Daran fehlt es bei VW. In diesem VW-Skandal geht es nicht bloß ums Image; das könnte man polieren. Polituren helfen hier aber gar nichts, weil die Substanz beschädigt ist. VW hat millionenfach gegen eine Compliance-Grundregel verstoßen: lieber kein Geschäft als ein faules. Es gilt auch noch eine zweite Grundregel: Wertvolle Autos baut man nur dann, wenn im Unternehmen Werte gelten. Die große Frage lautet nun: Wie wird VW wieder wertvoll?

Ein Rücktritt reicht da nicht.

© SZ vom 24.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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