Vorstandschef von Audi:Interessenkonflikt für 235 Euro - pro Stunde

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Ein Mann mit Biss und sein Zögling: VW-Patriarch Ferdinand Piëch und Audi-Chef Rupert Stadler im Jahr 2008. (Foto: Christian Rudnik/action press)

Er soll das Familienvermögen "erhalten und mehren": Audi-Chef Stadler kümmert sich als Stiftungsvorstand auch um die Milliarden der Familie Piëch. Jetzt wird der Nebenjob zum Problem.

Von Thomas Fromm und Klaus Ott, München

235 Euro Honorar pro Stunde für einen Nebenjob: Für jemanden wie Rupert Stadler ist das ist nicht viel Geld. Als Vorstandschef von Audi in Ingolstadt kassiert der Auto-Manager mehrere Millionen Euro im Jahr. Was sind da, sofern er sie sich überhaupt hat auszahlen lassen, schon einige Hundert Euro? Der Zusatzjob in Salzburg wirkt eher wie ein Hobby. Dort hilft Stadler, das Milliardenvermögen der Piëchs zu verwalten und zu mehren, jener Familie, die zusammen mit dem Porsche-Clan Hauptaktionär der Volkswagen AG in Wolfsburg ist.

Der Audi-Chef hat die Aufgabe in Salzburg nicht zufällig übernommen. Denn man kennt sich schon lange: Stadler hat von 1997 bis 2002 bereits das Büro von Ferdinand Piëch in Wolfsburg geleitet, als dieser den VW-Konzern als Vorstandsvorsitzender führte. Jetzt ist Stadler nicht bloß Chef von Audi (ein Job, den auch Piëch mal inne hatte); sondern der Diplom-Betriebswirt ist zugleich auch Vorstand in drei Privatstiftungen der Piëchs. In zweien davon steht Stadler der Satzung zufolge ein Honorar von 235 Euro die Stunde zu.

Stiftungen sollen das Piëch-Vermögen "erhalten und mehren"

Rupert Stadler mit einem Elektro-Sportwagen von Audi auf der IAA. (Foto: RALPH ORLOWSKI/REUTERS)

Nichts Großes also, aber doch groß genug, um ein paar unangenehme Fragen aufzuwerfen, die sich nun auch einige Aufsichtsräte von Audi und VW stellen. Kann Stadler Chef von Audi und Vorstandsmitglied von Volkswagen sein - und sich nebenher noch um einen der Großaktionäre kümmern? Werden da nicht Interessen vermengt, die nicht immer deckungsgleich sein müssen?

Die Piëchs sind nicht die einzigen Anteilseigner von VW und somit auch von Audi. Auseinandersetzungen mit dem Land Niedersachsen als weiterem Großaktionär und erst recht mit dem verwandten wie manchmal auch verfeindeten Porsche-Clan gab es immer wieder mal.

Nichtsdestotrotz ist Stadler seit fünf Jahren Vorstandsmitglied der Ferdinand Karl Alpha und der Ferdinand Karl Beta Privatstiftung; beide gegründet vor allem von Ferdinand Karl Piëch, der als Aufsichtsratschef bis zum Frühsommer über VW herrschte. Alpha und Beta sollen das Familienvermögen "erhalten und mehren" und den Einfluss von Ferdinand Piëchs Familie auf das VW-Imperium sichern. Da könnte Stadler, der sowohl dem Unternehmen als auch den Piëchs verpflichtet ist, schon mal zwischen die Fronten geraten.

VW ist ohnehin kein normaler Konzern

Die dritte Stiftung, in der sich Stadler nebenher verdingt, ist im Juli 2014 von Ferdinand Piëchs jüngerem Bruder Hans Michel Piëch gegründet worden. Im österreichischen Handelsregister, in dem sich das alles nachlesen lässt, ist Hans Michel Piëch als "Hauptstifter" verzeichnet - und zudem als Begünstigter, zusammen mit seiner Familie und Firmen der Familie.

Hans Michel Piëch spielt auch nach dem Rückzug seines Bruders Ferdinand weiterhin eine wichtige Rolle im Volkswagen-Imperium. Er ist Aufsichtsrat sowohl bei VW in Wolfsburg als auch bei Audi in Ingolstadt und somit einer der Kontrolleure von Audi-Chef Stadler, der auch im Vorstand von Volkswagen sitzt.

VW ist wegen des Miteigners Niedersachsen, der starken Stellung der beiden Clans aus Salzburg und des großen Einflusses von Belegschaft und Gewerkschaft, ohnehin kein normaler Konzern und schwer zu führen. Und nun auch noch das: Hans Michel Piëch wacht bei Audi und VW über Rupert Stadler, und der ist seit August 2014 einer von drei Vorstandsmitgliedern der Dr. Hans Michel Piëch Privatstiftung. Diese dient der "langfristigen Erhaltung und Mehrung des Familienvermögens", wie aus der Präambel der Satzung hervorgeht. Wie aber soll Hans Michel Piëch als VW- und Audi-Aufsichtsrat den dortigen Vorstand Stadler kontrollieren, wenn der sich gleichzeitig um Hans Michel Piëchs Interessen und Vermögen kümmert?

Audi antwortet nicht auf eine umfangreiche Anfrage der SZ; VW antwortet nicht; und die Familie Piëch antwortet ebenfalls nicht. Viele Fragen, keine Antworten.

In den Aufsichtsräten von Audi und Volkswagen sorgt das enge Verhältnis zwischen Stadler und den Piëchs für Irritationen. Einer der Audi-Kontrolleure sagt, im Grunde müsse jede Nebentätigkeit eines Vorstandschefs genehmigt werden. Er könne sich aber nicht daran erinnern, dass dies bei Stadler "in der Vergangenheit ein Thema gewesen wäre". Aus dem Umfeld des VW-Aufsichtsrats heißt es, dort sei man verärgert über Stadlers Engagement in Salzburg und gehe davon aus, dass dies nicht mehr lange der Fall sein werde. Das klingt so, als ob sich Stadler bei den Piëchs zurückziehen solle oder gar müsse.

Stadlers Nebenjobs werden in den Geschäftsberichten nicht erwähnt

Das wäre wohl auch im Sinne des Kodexes für Aktiengesellschaften in Deutschland, den eine Regierungskommission über Jahre hinweg erarbeitet hat. In dem Kodex ist die Rede davon, dass mögliche Interessenkollisionen vermieden oder zumindest offengelegt werden sollen. Ob Letzteres bei Volkswagen geschehen ist, bleibt im Dunkeln. In Konzernkreisen heißt es zwar, Stadlers Nebenjobs in Salzburg seien von den hauseigenen Juristen für in Ordnung befunden und von den zuständigen Gremien genehmigt worden. Aber nachprüfen lässt sich das nicht. VW und Audi sagen einfach nichts dazu.

In den Geschäftsberichten von Audi und VW für das Jahr 2014 sind Stadlers Vorstandsjobs in Salzburg nicht ausgewiesen. Dort werden nur die Mandate des Audi-Chefs im eigenen Konzern genannt, dazu seine Aufsichtsratstätigkeit beim FC Bayern München, wo Audi Anteilseigner ist. Zu den Piëch-Stiftungen finden sich dagegen keinerlei Hinweise in den jüngsten Geschäftsberichten.

Dabei gilt Stadler eigentlich überhaupt nichts als großer Geheimniskrämer oder gar Strippenzieher im Hintergrund; ganz anders als sein einstiger Patron Ferdinand Piëch. Der herrschte auch dann weiter über das Volkswagen-Imperium, als er den Vorstandsvorsitz in Wolfsburg längst abgegeben hatte. Er lenkte den Konzern mit Hilfe von Vertrauten wie Stadler. Vielleicht will der Audi-Chef mit seinem Nebenjob in Salzburg einfach nur dankbar sein für seine Karriere. Auf die 235 Euro Stundenhonorar verzichtet er angeblich.

© SZ vom 03.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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