Verdacht auf Steuerbetrug:NRW knöpft sich die größten Banken der Welt vor

Großbanken NRW

Großbanken wie die HSBC waren nach Erkenntnissen von Ermittlern an zweifelhaften Aktiendeals beteiligt.

(Foto: Illustration: Stefan Dimitrov)
  • Ein Jahr nach dem Kauf einer Steuer-CD beginnt Nordrhein-Westfalen mit einer großen Fahndungswelle gegen Banken.
  • Der Verdacht: Sie sollen mithilfe sogenannter Cum-Ex-Geschäfte den Staat um Milliarden betrogen haben.
  • Betroffen sind diverse Banken, die zu den größten der Welt gehören.

Von Klaus Ott, Düsseldorf

Hagen an der Ruhr hat rund 190 000 Einwohner und diverse Banken. Eine Sparkasse natürlich, dazu die Volksbank und die Märkische Bank als genossenschaftliche Institute. Außerdem Filialen einiger Finanzkonzerne. Das große Geld ist in Hagen, dem Tor zum Sauerland, nicht zu Hause. Wer dort als Steuerfahnder arbeitet, hat es selten mit Aufsehen erregenden Fällen aus der Bankenbranche zu tun. Das ändert sich gerade. Das Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung an der Ruhr soll sich um drei Institute von Weltrang kümmern. JP Morgan aus New York, Barclays aus London und BNP Paribas aus Paris. Sie waren nach Erkenntnissen von Ermittlern an zweifelhaften Aktiendeals beteiligt, bei denen der deutsche Fiskus um mehr als zehn Milliarden Euro betrogen worden sein soll.

Das Bundesland Nordrhein-Westfalen hat vor einem Jahr von einem Informanten für fünf Millionen Euro eine CD mit zahlreichen Daten über solche Börsengeschäfte gekauft. Jetzt rollt die erste große Fahndungswelle an. Steuerfahnder in ganz NRW, von Aachen bis Wuppertal, von Bonn bis Bielefeld, untersuchen Aktiendeals von mehr als 20 ausländischen Geldinstituten. Mit dabei: das in einem schmucklosen Bürogebäude untergebrachte Amt in Hagen.

Betroffen sind nach Informationen von Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR diverse Banken, die zu den größten der Welt gehören. Von der Wall Street in New York ist neben JP Morgan auch Morgan Stanley dabei; aus der City in London neben Barclays auch HSBC; dazu kommen die UBS aus Zürich und eben BNP Paris aus Paris. Mit ihrer Hilfe könnten, so der Verdacht der Steuerfahnder, mutmaßlich kriminelle Aktiendeals zu Lasten des Fiskus abgewickelt worden sein.

Es geht um Geschäfte mit dem Namen Cum-Ex, die nun auch einen Untersuchungsausschuss des Bundestags beschäftigen. Banken und Kapitalanlagefonds haben sich beim Handel von Aktien mit (Cum) und ohne (Ex) Dividende eine nur einmal gezahlte Kapitalertragsteuer mehrmals erstatten lassen. Banken und Fonds haben sich, wie Staatsanwälte und Steuerfahnder in mühevoller Detektivarbeit herausfanden, jahrelang aus der Staatskasse bedient. Nun will der Fiskus sein Geld zurück. Von allen, die mitgemacht haben sollen. Auch von den Banken. Barclays widerspricht dem Verdacht, man sei in illegale Deals verstrickt. Die anderen genannten Großbanken von BNP Paribas bis UBS wollen sich dazu auf Anfrage nicht äußern.

NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) sagt, die CD enthalte "wertvolle Hinweise auf Cum-Ex-Betrügereien". Die dort aufgeführten mehr als 100 Banken aus dem In- und Ausland sollten "nicht davon ausgehen, dass das Material in unseren Schubladen vergammelt". Walter-Borjans: "Unsere Steuerfahndung geht jedem Verdacht nach - ohne Ansehen der Personen oder Geldhäuser." Eine Reihe von Banken habe bereits Gespräche aufgenommen und kooperiere mit den Behörden. Der Finanzminister rät auch allen anderen Instituten, rasch einzulenken. Diese Banken sollten nicht darauf setzen, dass das "systematische Ausplündern der Staatskasse unentdeckt bleibt".

Finanzministerium sieht Schaden "jährlich im Milliardenbereich"

Zu Details äußerte sich der Minister nicht. Als erste ausländische Bank gibt Macquarie aus Australien dem Fiskus bereits sein Geld zurück; inklusive Zinsen knapp 80 Millionen Euro. Hinzu kommt eine Abschöpfung der Gewinne aus den Cum-Ex-Deals plus eine kleine Geldbuße. Das ergibt bei Macquarie am Ende wohl mehr als 100 Millionen Euro. Ob auch einige der genannten Großbanken ihren Frieden mit dem Fiskus machen wollen, ist nicht bekannt. Bei ihnen und den anderen ausländischen Instituten, deren Geschäfte nun untersucht werden, sollen auf Ebene der Steuerstrafämter nach und nach Steuerstrafverfahren eingeleitet werden. Das werde in allen Fällen geschehen, sagt ein Insider. Die Verfahren liefen teils gegen Unbekannt. Je nach Ermittlungsstand könnten daraus Verfahren gegen Mitarbeiter der betroffenen Geldinstitute und Bußgeldverfahren gegen die Banken selbst werden.

SZ, NDR und WDR haben den sechs genannten Großbanken einen Fragenkatalog geschickt. In welchem Umfang sie Cum-Ex-Geschäfte mit Steuererstattungen getätigt hätten. Ob sie von solchen Erstattungen profitiert hätten. Ob sie nach den ersten Cum-Ex-Verdachtsfällen Ende 2012 ihre Geschäfte überprüft hätten und von sich aus auf die deutschen Steuerbehörden zugegangen seien. Die Antworten: "Morgan Stanley kommentiert nicht." Genauso: "UBS kommentiert nicht." BNP Paribas: "Kein Kommentar." Das sagt auch die HSBC. Nur Barclays weist jeden Verdacht zurück.

Begonnen hatten die Deals bereits Mitte des vergangenen Jahrzehnts

Die Großbank aus London, weltweit bekannt als Sponsor der englischen Fußball-Liga, der Premier League, ist ein Sonderfall. Das Bundesfinanzministerium hatte bereits 2012 den Finanzbehörden der Länder interne Barclays-Unterlagen über Cum-Ex-Deals geschickt, die offenbar vom britischen Fiskus stammten. Das Finanzministerium kommentierte die Unterlagen mit den Worten, dem deutschen Staat könne durch die in den Papieren beschriebenen Barclays-Geschäfte ein Schaden in Höhe von bis zu 280 Millionen Euro pro Jahr entstanden sein. Da Barclays nur einer von vielen Cum-Ex-Akteuren gewesen sei, liege der Gesamtschaden für den Fiskus wohl "jährlich im Milliardenbereich".

Begonnen hatten diese Deals in großem Stil Mitte vergangenen Jahrzehnts, von der Bundesregierung gestoppt wurden sie erst 2012. Als die Barclays-Papiere 2013 öffentlich bekannt wurden, erklärte die britische Großbank, man habe "in Einklang mit allen anwendbaren Gesetzen gehandelt" und weise alle Andeutungen von Fehlverhalten entschieden zurück. Das gelte weiterhin, ließ Barclays jetzt mitteilen.

Ein zweiter Sonderfall ist die internationale HSBC-Gruppe, deren Cum-Ex- Geschäfte nun von Steuerfahndern untersucht werden. Bei der deutschen Tochter HSBC Trinkaus & Burkhardt ermittelt wegen weiterer Cum-Ex-Deals bereits die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft. HSBC Trinkaus sagt dazu, man habe keine Anhaltspunkte für Geschäfte mit einer mehrfachen Erstattung der Kapitalertragsteuer.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: