Verbraucherschutz:"500 Euro pro Anfrage"

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Pestizide im Gemüse? Was ist im Puddingpulver? Theoretisch sollten Behörden diese Fragen beantworten. Praktisch erweisen sich die Rechte der Bürger als nutzlos.

D. Kuhr

Es sei "ein Meilenstein in der Geschichte des Verbraucherschutzes", hatte Horst Seehofer (CSU) bei der Vorstellung der neuen Informationsrechte für Konsumenten gesagt. Doch mit dieser Einschätzung steht der frühere Bundesverbraucherschutzminister ziemlich alleine da. Nach Ansicht des Bundesverbands der Verbraucherzentralen (Vzbv) sind die neuen Auskunftsrechte zu Lebensmitteln, Kosmetika, Textilien oder Spielzeug eine "Lachnummer".

Ob Gemüse von Pestiziden belastet ist, können Bürger bei Behörden erfragen. In der Realität erweisen sich diese Rechte oft als nutzlos. (Foto: Foto: ddp)

Vergangenen Mai trat das Verbraucherinformationsgesetz (VIG) in Kraft. Seither können Bürger bei Behörden Auskunft darüber verlangen, was zum Beispiel bei Lebensmittelkontrollen in bestimmten Betrieben oder Supermärkten herausgekommen ist.

Doch die Verbraucherschützer unterzogen das Gesetz in den vergangenen Monaten einem Praxistest. 100 Anfragen an Landesbehörden und Kommunen werteten sie aus. Es ging um Pestizidbelastungen von Obst und Gemüse, um hygienische Verhältnisse beispielsweise in Imbissbuden oder Schulküchen, um Sicherheit von Kinderspielzeug oder auch um Beanstandungen von Kochschinken oder Lachsprodukten.

Dabei seien "nichtssagende Antworten" gekommen, sagte Vzbv-Chef Gerd Billen am Mittwoch im Vorfeld der Grünen Woche. Die Antworten hätten keine Angaben zu Produkten, Verkaufsstellen oder Unternehmen enthalten. "Behörden scheuen sich, Ross und Reiter zu nennen."Zwei Drittel der Anfragen stammten von Bürgern selbst, der Rest von Verbraucherzentralen. Während die Anfragen der Verbraucherschützer ernsthaft und sorgfältig bearbeitet worden seien, seien die Bürger meist mit pauschalen Antworten abgespeist worden, bemängelte Hedi Grunewald, Ernährungsreferentin der Verbraucherzentrale Niedersachsen. "Bei den Behörden werden Verbraucheranfragen offenbar wie Anfragen zweiter Klasse behandelt."

Lange Wartezeiten

Häufig hätten schon die Kosten abgeschreckt. In 17 von 65 Anfragen seien die Verbraucher durch die Ankündigung, dass hohe Gebühren auf sie zukommen können, davon abgehalten worden, ihre Anfrage weiterzuverfolgen. Es habe "Kostenandrohungen von bis zu 500 Euro für eine simple Anfrage" gegeben, sagte Grunewald.

Zudem hätten die Verbraucher oft monatelang auf eine Antwort warten müssen. Einige Behörden hätten mehrfach aufgefordert, die Anfrage zu konkretisieren, bis sie am Ende so eng gefasst war, dass die Antwort unbrauchbar war. "Eine Verbraucherin hatte wissen wollen, was bei den Kontrollen der Filialen eines bestimmten Discounters in ihrer Gemeinde herausgekommen sei", sagte Grunewald. Die Behörde bat, die Anfrage kilometer- und zeitmäßig einzugrenzen. "Wenn der Verbraucher aber gezwungen ist, einen bestimmten Drei-Monats-Zeitraum anzugeben, dann stehen die Chancen für die Behörde gut, dass es in diesen drei Monaten gerade keine Kontrolle gegeben hat." Konkrete Auskünfte habe es paradoxerweise nur dann gegeben, wenn keine Beanstandungen zu vermelden waren.

Auch die Verbraucherorganisation Foodwatch hat die neuen Auskunftsrechte getestet - mit dem gleichen Ergebnis. Billen forderte Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) auf, das Gesetz ihres Amtsvorgängers nachzubessern. So, wie es jetzt gefasst sei, könne er "keinem Verbraucher empfehlen, eine Anfrage an eine Behörde zu stellen".

© SZ vom 15.01.2009/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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