Ursprünge von Apple, Disney, Barbie und Harley:Mythos Garage

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Wird oft als "Geburtsort" des Silicon Valley bezeichnet: Die Garage, in der Bill Hewlett und Dave Packard ihr Unternehmen starteten. (Foto: AFP)

Tüfteln, dreckig werden - und keine nervenden Eltern: Große Produktideen wurden oft abseits großer Industriehallen geboren, so wie Apple in der Garage von Steve Jobs' Eltern. Das funktioniert aber nicht nur im Silicon Valley.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Natürlich kennt jeder, der als Adresse nicht gerade "hinter dem Mond" angibt, die Apple-Geschichte: Steve Wozniak. Steve Jobs. Eine Garage in Los Altos. Wer sich ganz besonders dafür interessiert, der fährt in den Crist Drive und lässt sich von der Nachbarin Joan Tankersley einige Anekdoten erzählen. Wie alle diesen Jobs für einen spinnerten Hippie gehalten haben, der barfuß und in abgeschnittenen Jeans herumlief. Wie sie keine Ahnung hatten, was da gerade passiert war, als Jobs über Straße hüpfte und rief: "Wir haben Farbe!" Dabei hatten Wozniak und Jobs gerade den Apple II gebaut.

Erzählungen wie diese gibt es zuhauf in Silicon Valley, sie werden romantisch verklärt und enthalten meist eine drollige Nebenhandlung. Vor allem aber vermitteln sie den Eindruck, dass nur der erfolgreich sein kann, der auf die Frage nach der ersten Firmenadresse "Garage" sagen kann.

Bill Gates und Paul Allen programmierten einst in einer Garage, Susan Wojcicki vermietete den Google-Gründern Larry Page und Sergey Brin einst ihre Garage und gilt mittlerweile als wichtigste Mitarbeiterin des Unternehmens. Als Geburtsort des Silicon Valley gilt seit dem Jahr 1989 hochoffiziell die Garage in der 367 Addison Avenue in Palo Alto: Dort gründeten Bill Hewlett und Dave Packard im Jahr 1939 ihr Unternehmen, über den Firmennamen Hewlett-Packard entschieden sie per Münzwurf.

Schutzraum vor den Eltern

Dieser Mythos um die Garage speist sich aus dem Glauben, dass an diesem Ort Eskapismus, Sezession und der ganz banale amerikanische Traum auf wundersame Weise zusammenfinden: Ein junger Mensch flüchtet vor einer Welt, die er bisweilen nicht versteht und die ihn als Außenseiter abstempelt. Er kommt in der Gegenwart nur schwer zurecht, weil sein Gehirn über die Zukunft nachdenkt. Dieser Mensch wählt nicht das Kinderzimmer oder den Keller, sondern geht noch einen Schritt weiter, weg von der Kontrolle der Eltern oder der Hauseigentümer.

Die Leute draußen kapieren nicht, woran der schrullige Typ mit seinen Freunden bastelt, sie wollen es auch gar nicht verstehen - auf diese Weise ist der junge Mensch in der Garage geschützt vor klugen Ratschlägen. Es ist ein weniger als 30 Quadratmeter großes Königreich, in dem die Gesetze dessen gelten, der sich hierher zurückgezogen hat. Der Mythos besagt: An diesem Ort gibt es keine Denkverbote.

Die amerikanische Garage ist seit jeher nicht nur Parkplatz fürs Auto, sie wird als Werkstatt, Hobbyzimmer oder Probenraum für die Band genutzt. Ein Ort zum Tüfteln und Basteln, zum Experimentieren und Schmutzigwerden. Spärlich eingerichtet, bisweilen schmuddelig, hin und wieder gar ärmlich. Bill Hewlett etwa lebte in der Hütte neben Packards Garage, es gab keinen Holzboden, sondern einfach nur Dreck. Der amerikanische Traum wird wahr, wenn so einer Millionär oder gar Milliardär wird und dann futuristische Gebäude bauen darf.

Auch Barbie stammt aus der Garage

Das Silicon Valley darf den Mythos Garage jedoch nicht allein für sich beanspruchen. Zwischen 1901 und 1903 bauten William Harley und Arthur Davidson ein Motorrad in der Holzgarage eines Freundes. 1923 zogen Walt und Roy Disney zu ihrem Onkel, bauten in der Garage The First Disney Studio auf und filmten darin Fragmente einer Komödie, in der es um ein Mädchen namens Alice ging. Im Jahr 1945 gründeten Elliot Handler und Harold Matson in einer Garage im Süden Kaliforniens Mattel, sie produzierten dort Rahmen und später Spielzeug. 1959 brachte Handlers Ehefrau Ruth eine Puppe mit dem Namen Barbie auf den Markt. In Garagen wird also nicht nur die digitale Welt neu erfunden.

Im amerikanischen Fernsehen ist gerade der Werbespot eines Autoherstellers zu sehen, es geht um all die wunderbaren Sachen, die einst in einer Garage entstanden sind. "Einige parken nur dort", heißt es dann - und ein futuristisches Auto fährt aus der Garage heraus. Die Lehre aus diesem Werbespot, die Lehre aus all den wunderbaren Gründergeschichten: So eine Garage wird erst dann zu einem mythischen Ort, wenn darin ein brillanter Mensch an einer fantastischen Idee arbeitet.

© SZ vom 18.02.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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