Unternehmen: Service:Mach's dir selber, Kunde

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Wer will schon eine teure Service-Hotline anrufen? Kunden suchen Antworten auf ihre Fragen im Internet. Firmen erkennen diesen Trend - und spannen Kunden für ihren Service ein.

Bastian Brinkmann

Am Anfang war die Frage. Was ist ein Windows-Phone-7: ein eigenes Handy oder ein Betriebssystem? Früher kamen die Kunden ins Fachgeschäft, um darauf eine Antwort zu bekommen. Heute gehen sie ins Internet.

Neuer Trend bei Firmen-Hotlines: Kunden sollen eingespannt werden (Foto: dpa)

Doch die Google-Trefferliste ist nicht so vertrauenswürdig wie der Fachhändler. Ob die Antwort stimmt, ob das Produkt fair dargestellt ist oder ob die Kniffe nutzen oder schaden - wer weiß? Auch ein Unternehmen kann kaum verfolgen, was alles von anonymen Kommentatoren über seine Produkte geschrieben wird. Diese Kontrolle wollen sich die Unternehmen jetzt zurückholen. Dabei helfen sollen ausgerechnet die Kunden. Denn manche von ihnen wissen besser Bescheid, wie die Produkte funktionieren, als Call-Center-Mitarbeiter.

Ehrenamt für einen Konzern

Dieses Konzept probiert der Mobilfunkanbieter Base aus, der zur E-Plus-Gruppe gehört. Unter mobilfunkexperten.de können Kunden seit kurzem alle möglichen Fragen stellen, auch die nach dem Windows-Phone-7, was übrigens nur ein Betriebssystem ist, das auf verschiedenen Handys laufen kann. Diese Antwort kommt von einem sogenannten Mobilfunkexperten. So nennt Base seine Helferlein, die sich online um die vielen Fragen kümmern. Oft sind sie Kunden, ehemalige oder freie Mitarbeiter bei Base. Sie sind der Marke treu - wie Sven Mehlhorn.

Seit mehr als vier Jahren betreibt er einen Base-Shop in Köln und kennt sich somit gut aus mit den Tarifen und Handys, die Base anbietet. In seiner Freizeit setzt er sich an den Rechner und schaut, welche Fragen neu im Forum stehen. Und wenn er etwas weiß, schreibt er eben fix eine Antwort. "Dauert ja nur fünf Minuten", sagt Mehlhorn. Eine Vergütung bekommen die Antwort-Schreiber nicht. Ein Ehrenamt für einen Konzern.

Kunden werden schon lange vom Marketing als Botschafter des Konzern eingespannt - die aktuelle Base-Werbung zeigt beispielsweise Bilder von Menschen, die wirklich einen Vertrag bei dem Mobilfunkunternehmen haben. Mit dem Expertenforum geht Base nun einen Schritt weiter: Kunden übernehmen die Betreuung von anderen Kunden.

Ein offizieller Base-Experte kann nur werden, wen das Unternehmen akzeptiert. So soll die Qualität hochgehalten werden. Andererseits antworten hier keine Call-Center-Mitarbeiter, die nur Rede-Skript kennen, keine individuelle Hilfe. "Im Forum wird eher die Sprache der Kunden gesprochen, das macht es für sie vertrauenswürdiger", sagt Carsten Rennhak, der an der Munich Business School Unternehmenskommunikation lehrt und erforscht. Junge Konsumenten würden nervös, wenn sie online keinen Service finden würden, so Rennhak.

Dabei gibt es bereits unzählige Foren online, in denen sich die Kunden tummeln. In manchen werden Vor- und Nachteile von Produkten diskutiert, aber es gibt auch Portale, die sich sich auf Fragen spezialisiert haben wie gutefrage.net . Das Wissen ist irgendwo da draußen - vielleicht ist es aber auch nur Halbwissen. Ob die Details eines Mobilfunkvertrags hier richtig wiedergegeben werden, kann der Online-Leser schwer einschätzen. Base will die Fragen zur Marke nach Hause holen und einen unternehmensnahen Wissenspool schaffen - eine Art Base-Wikipedia.

Reine Werbung soll das Forum nicht sein. Es gibt keine Vorgaben vom Vertrieb, dass dank der Mobilfunkexperten neue Verträge abgeschlossen werden müssen. Wenn jemand im Forum schreibt, T-Mobile wäre der totale Mist, wird der Eintrag gelöscht. Base will sachlich informieren - das ist der eigene Anspruch.

Die Kundenbeziehung wird zum Verkaufsargument. Der Mobilfunksektor leidet darunter, dass die Branche leicht verwechselbare Dienstleistungen anbieten. Ob D1, D2, O2 oder E-Plus: Durch welches Netz am Ende die SMS des Kunden transportiert wird, das sieht, hört und schmeckt er nicht - das Produkt wird austauschbar. Die Unternehmen konzentrieren sich folglich auf Service und Markenkult. "Mobilfunkexperten.de soll auch ein Erlebnis sein", sagt Benjamin Menzel, der bei Base für die Kundenbeziehungen zuständig ist.

Kunden helfen Kunden

Kunden helfen Kunden, das Unternehmen muss nur noch zuschauen. Das kann auch die Kosten senken. Eine gute Experten-Antwort kann vielen helfen, denn viele Kunden umtreiben die gleichen Fragen. Außerdem könnte ein Forum viel mehr Service bieten als ein Call-Center: Wenn beispielsweise eine Frage zu einzelnen iPhone-Apps gestellt word, wäre ein normaler Kundenservice meist völlig überfordert - denn es gibt mittlerweile rund 300.000 Zusatzprogramme für das Apple-Handy. Eine umfassende Hilfe für jede App käme wahnsinnig teuer. Doch einer der Mobilfunkexperten hat vielleicht genau diese eine App schon ausprobiert, zu der ein Kunde eine Frage hat. So entsteht eine Art Base-Wikipedia - quasi von selber.

Der Konzern zieht sich aber nicht ganz zurück. Ein Community Manager von Base betreut momentan die Seite, auf der aktuell den etwa 40 Experten jeden Tag eine Handvoll Fragen gestellt wird. Ob diese Zahlen steigen, wird den Erfolg des Konzepts bemessen. Denn nur wenn sich viele Köpfe beteiligen, wird auch jede Frage eine Antwort finden.

Das technische Gerüst hinter den Mobilfunkexperten kommt von Brandslisten, einem Potsdamer Start-up. "Kundendienst ist ein Marketingfaktor und oft völlig verkannt", sagt Mark Pohlmann, Mitgründer der Internet-Firma. "Unternehmen entdecken jetzt erst, dass es wichtig ist, die zufriedenen Kunden besser sichtbar zu machen."

Base geht keine ganz neuen Wege. Der Internetprovider 1und1 hat ein Forum für seine Kunden eingerichtet, genauso wie Google, wo die Nutzer jeden Kommentar bewerten können, ob er hilfreich war. Auch der IP-Telefonservice Skype hat ein Forum, doch mutmaßen hier manchmal die Kunden unter sich, wie man einen Fehler im Programm beheben könnte. In einigen Fällen antworten auch Skype-Mitarbeiter.

Bei Base bleiben die Kunden unter sich. Erst wenn es zum Beispiel um eine falsche Konto-Abbuchung geht, greift das Unternehmen ein und zieht den Einzelfall an sich. Kundendaten sollen im Forum nicht auftauchen. Ganz allein können die Kunden den Laden dann doch nicht schmeißen.

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