Twitter:Kurznachricht

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Google plant angeblich, Twitter zu übernehmen. Der Dienst ist mit seinen in Echtzeit veröffentlichten Kurznachrichten sehr speziell. Wer immer den Kauf erwägt, muss sich genau überlegen, was er mit dem Zukauf anfangen will.

Von Helmut Martin-Jung, München

Was die Welt bewegt, das bewegt auch Twitter. Und immer öfter ist es auch so: Was in Tweets, den höchstens 140 Zeichen langen Kurzmitteilungen, steht, bewegt die Welt. Wer am Puls der Zeit lebt, nutzt den in den USA beheimateten Dienst, weltweit tun das im Monat fast 300 Millionen Menschen, in Deutschland sind es nur 3,6 Millionen. Es gibt zwar Überschneidungen mit anderen sozialen Netzwerken - so können sich zum Beispiel Mitglieder untereinander auch private Mitteilungen schicken wie bei Facebook. Doch die Stärke von Twitter ist es, dass Nachrichten nahezu in Echtzeit von einem Einzelnen veröffentlicht werden können - und zwar lesbar für alle, die sich dafür interessieren, man muss dafür nicht einmal Twitter-Mitglied sein.

Der Dienst ist so wie er ist, sehr sehr einzigartig. Und damit kein leichter Kandidat

Es ist diese einzigartige Stärke von Twitter, die den Dienst bei repressiven Regimes verhasst macht - und bei Technologiefirmen zum höchst interessanten Übernahmekandidaten. An erster Stelle wird dabei zumeist der Internetkonzern Google genannt, so auch jetzt wieder auf einigen amerikanischen Webseiten. Weder Google noch Twitter kommentieren die Meldungen, doch gibt es durchaus Gründe für Google, die Akquise zu erwägen. Denn die Firma war bis dato mit sozialen Netzwerken alles andere als erfolgreich. Der jüngste Versuch, Google+, wird nur von vergleichsweise wenigen Menschen aktiv genutzt, der Rest sind Karteileichen, die den Dienst niemals verwenden. Auch Googles Dienst Orkut war vor allem in Brasilien erfolgreich, sonst aber weitgehend unbekannt.

Die Gerüchte um eine mögliche Übernahme trieben den Börsenkurs von Twitter am Dienstag in New York um vier Prozent auf 52,87 Dollar, den höchsten Stand seit Oktober 2014. Am Mittwoch zeigten sich das Papier wenig verändert zum Vortag. Den Berichten zufolge soll Twitter Berater abgeheuert haben, um eine feindliche Übernahme abzuwehren.

Ob das Gerücht überhaupt stimmt, ist unklar. Klar ist jedoch, dass Twitter-Chef Dick Costolo unter dem Druck der Anleger steht, weil sein Unternehmen zwar weltweit viel Beachtung findet, aber noch immer nach einem Geschäftsmodell sucht, das langfristig Gewinne verspricht. Bis jetzt hält der Aufsichtsrat Costolo noch die Treue, aber das muss auch nicht immer so bleiben.

Die Frage ist aber auch: Was hätte ein Technologieunternehmen davon, Twitter zu kaufen? Ob die Nachrichten-Junkies, die es jetzt überwiegend nutzen, sich auch noch dafür begeistern würden, wenn es plötzlich Teil von Google, Microsoft oder wem auch immer wäre, ist durchaus zweifelhaft. Twitter ist, so wie es ist, eben sehr speziell, sehr einzigartig. Eingegliedert in ein größeres Ganzes, würde es viel von diesem Charme verlieren. Wer immer also möglicherweise erwägt, sich den Kurznachrichtendienst einzuverleiben, muss sich sehr genau überlegen, was er damit anfangen will.

© SZ vom 09.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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