TTIP:Kopfgeld für geheime TTIP-Dokumente

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Wikileaks sammelt Geld, um Informanten zu bezahlen. Prominente wollen spenden.

Von Silvia Liebrich und Jakob Schulz, München

Die Enthüllungsplattform Wikileaks will 100 000 Euro sammeln, um damit Informanten dazuzubewegen, geheime Dokumente über das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP zu veröffentlichen. Einen entsprechenden Aufruf schaltete die Plattform am Dienstag auf ihrer Webseite frei. Bis zum Mittag war bereits mehr als ein Zehntel der angepeilten Summe zugesagt. Erste Spendenzusagen kamen von international bekannten TTIP-Kritikern - darunter die britische Mode-Designerin Vivienne Westwood, der Enthüllungsjournalist Glenn Greenwald (Edward Snowden), US-Whistleblower Daniel Ellsberg (Pentagon Papers) oder Griechenlands Ex-Finanzminister Yanis Varoufakis.

"Das TTIP-Abkommen ist das wichtigste, was derzeit in Europa passiert", sagt Wikileaks-Gründer Julian Assange in einem Video. "Es ist ein geheimes Abkommen, das zwischen den USA und Europa ausgehandelt wird." Die Geheimniskrämerei halten die Aktivisten für verwerflich. Sie sehen TTIP als Teil einer Strategie der US-Regierung, die Dominanz über den Welthandel und seine Regeln zu erlangen. Mit dem Spendenaufruf wollen Wikileaks und seine Unterstützer den Fokus auf TTIP richten. "Die Geheimhaltung um TTIP ist ein Vorgeschmack auf die Zukunft von Europas Demokratien", so Assange. Unter dem Deckmantel der Verhandlungen würden Einzelinteressen zu viel Raum erhalten, schreibt er weiter. Kürzlich veröffentlichte die Plattform geheime Details der ebenfalls geplanten Abkommen TPP, das die USA mit den Pazifik-Staaten planen, sowie dem Dienstleistungsabkommen TISA, an dem sich 50 Länder beteiligen wollen.

Seit Anfang Juni läuft bereits ein Spendenaufruf für TPP über 100 000 US-Dollar. Mit dieser Summe sollen Quellen belohnt werden, die aktuell noch unbekannte Informationen zu TPP zur Verfügung stellen. Von der gewünschten Summe seien mehr als 80 Prozent zugesagt, heißt es.

Die Geheimniskrämerei bei den Verhandlungen zwischen den USA und Europa wird seit Beginn der Gespräche im Sommer 2013 heftig kritisiert. Über den konkreten Inhalt und die Verhandlungspositionen ist bis heute wenig bekannt, obwohl die EU-Kommission vor einem halben Jahr mehr Transparenz versprochen hat. Abgeordnete in Brüssel können bis heute nur einen Teil der Verhandlungspapiere einsehen, und das auch nur in streng abgeschotteten Räumen. Zu Unterlagen, die von der amerikanischen Seite als geheim eingestuft werden, gibt es so gut wie keinen Zugang. Eigentlich sollen auch die Parlamentarier in den einzelnen EU-Ländern Einsicht bekommen, doch auch in dieser Hinsicht hapert es. Abgeordnete des deutschen Bundestags beschwerten sich vor der Sommerpause, dass ihnen wichtige Papiere nicht vorgelegt werden. Bundestagspräsident Norbert Lammert schickte der US-Regierung im Juli einen Protestbrief.

Befürworter von TTIP erhoffen sich von der Vereinheitlichung von Standards mehr Wachstum und höhere Beschäftigung auf beiden Seiten des Atlantiks. So könnten für den Handel störende Zölle gesenkt werden. Technische Standards, etwa in der Autoindustrie, würden vereinheitlicht.

TTIP-Gegner hingegen sorgen sich um soziale und ökologische Errungenschaften. Es herrscht Angst vor niedrigeren Umweltstandards oder der Erlaubnis von genmanipulierten Pflanzen. Ein großer Kritikpunkt sind zudem geheime Schiedsgerichte, vor denen Unternehmen Staaten auf Schadenersatz verklagen können. Heftig umstritten ist auch, dass das Abkommen nach seiner Ratifizierung von einer Expertenkommission mit Beteiligung der Wirtschaft stets angepasst werden kann - an den Abgeordneten vorbei.

Die Enthüllungsplattform Wikileaks begreift sich selbst als Speerspitze der Transparenz. Immer wieder veröffentlicht die Plattform geheime Dokumente. Ihr Gründer Julian Assange, 44, steht nicht nur wegen seiner Rolle bei Wikileaks in der Kritik. Seit 2010 ermittelt die schwedische Justiz gegen den Australier wegen des Verdachts der sexuellen Nötigung und Vergewaltigung. Aus Angst, von Schweden in die USA ausgeliefert zu werden, floh Assange 2012 in die ecuadorianische Botschaft in London. Im Spätsommer verjähren die Vorwürfe.

© SZ vom 12.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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