Thyssen-Krupp:Geheimnisvolle Angreifer

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  • Der Anteil der Krupp-Stiftung an Thyssen-Krupp ist zuletzt stetig gesunken - inzwischen liegt er nur noch bei 23,03 Prozent und damit unter der wichtigen Marke von 25 Prozent.
  • Die Folge: Wichtige Beschlüsse der Hauptversammlung über die Zukunft und damit auch über die Einheit des Konzerns könnte die Stiftung allein nicht mehr verhindern.
  • Ihr steht mit dem Finanzinvestor Cevian ein Großaktionär gegenüber, dessen genaue Ziele noch immer keiner kennt.

Von Kirsten Bialdiga, Düsseldorf

Kurz vor seinem Tod traf Alfried Krupp von Bohlen und Halbach eine weitreichende Entscheidung. Er bestimmte damals vor fast 48 Jahren, dass eine Stiftung künftig die Anteile an dem Familienkonzern Krupp halten sollte. Ihre Aufgabe sollte es sein, im Geiste des Stifters und seiner Vorfahren darauf zu achten, dass die "Einheit dieses Unternehmens möglichst gewahrt und seine weitere Entwicklung gefördert wird". So ist es auch heute noch.

Doch dem Anspruch von Alfried Krupp von Bohlen und Halbach gerecht zu werden, das wird für die Krupp-Stiftung immer schwieriger. Ihr Anteil an Thyssen-Krupp ist zuletzt stetig gesunken - inzwischen liegt er nur noch bei 23,03 Prozent und damit unter der wichtigen Marke von 25 Prozent. Wichtige Beschlüsse der Hauptversammlung über die Zukunft und damit auch über die Einheit des Konzerns könnte die Stiftung allein nicht mehr verhindern. Zudem steht ihr mit dem Finanzinvestor Cevian ein weiterer Großaktionär gegenüber, dessen genaue Ziele noch immer keiner kennt.

Bloß nicht auffallen

In dieser Situation kann jede kleine Bewegung im Aktionärskreis von Bedeutung sein. Und in den vergangenen Wochen gab es einige Bewegung. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung haben sich private Investoren voneinander unabhängig an der Börse größere Aktienpakete von Thyssen-Krupp gesichert, unterstützt wurden sie dabei von namhaften Banken. Dies verlautete aus mehreren Quellen.

Die Beteiligungen liegen zwar jeweils unter der Schwelle von drei Prozent und sind daher nicht meldepflichtig. Und doch dürften sich dadurch die Machtverhältnisse bei Thyssen-Krupp verändern: Die neuen Miteigentümer könnten künftig das Zünglein an der Waage sein - je nachdem, ob sie sich auf die Seite der Stiftung oder von Cevian schlagen. Thyssen-Krupp, Cevian und die Krupp-Stiftung wollten sich dazu am Mittwoch nicht äußern.

Als sie die Aktien in den vergangenen Wochen an der Börse gekauft haben, sind die neuen Investoren unauffällig vorgegangen. Sie wollten offenbar vermeiden, dass sie den Aktienkurs nach oben treiben und so ihre Käufe verteuern. Anhand der Börsenumsätze jedenfalls lassen sich die Käufe kaum eindeutig zurückverfolgen. Allerdings überstieg seit Mitte Januar das tägliche Handelsvolumen mit Thyssen-Krupp-Aktien sechsmal die Marke von 100 Millionen Euro oder blieb nur knapp darunter. In den Monaten zuvor kam dies hingegen deutlich seltener vor, wie die Daten der Nachrichtenagentur Bloomberg zeigen. Für den regen Handel mit Thyssen-Krupp-Aktien lassen sich allerdings auch andere Erklärungen finden: eine positive Analystenstudie etwa, die Anleger anlockt, oder die Veröffentlichung der Quartalszahlen.

Hinter zwei Hochöfen von Thyssen-Krupp geht die Sonne unter: Wie lange produziert der Konzern noch Stahl? Die Frage könnte die Aktionäre entzweien. (Foto: Roland Weihrauch/dpa)

Welchem Lager die Privatinvestoren zugehören und welches Motiv sie antreibt, ist bisher unklar. Sollten sie sich mit Cevian Capital verbünden, würden sie dem schwedischen Finanzinvestor im Aktionärskreis gegenüber der Krupp-Stiftung mehr Gewicht verleihen. Cevian hält zurzeit 15,08 Prozent an Thyssen-Krupp, nur knapp acht Prozent weniger als die Stiftung. Wenn die neuen Miteigentümer aber die Krupp-Stiftung unterstützen, könnte diese mithilfe dieser Investoren sogar über die wichtige Marke von 25 Prozent kommen und damit keine wichtige Entscheidung gegen ihren Willen getroffen werden.

Chef Hiesinger will den Konzern als Ganzes erhalten

Schon in Kürze könnte es bei Thyssen-Krupp zum Schwur über die künftige Strategie kommen. Cevian ist als aktivistischer Investor bekannt, der nicht zimperlich vorgeht. Beim Baudienstleister Bilfinger etwa mussten auf Betreiben des Finanzinvestors in kurzer Folge Vorstandschef und Aufsichtsratsvorsitzender ihre Posten räumen. Auch bei Thyssen-Krupp sitzt der Deutschland-Statthalter von Cevian, Jens Tischendorf, bereits im Aufsichtsrat.

Der Finanzinvestor steigt meist bei Unternehmen ein, die er für unterbewertet hält. Er misst den Erfolg dieser Unternehmen am jeweils besten Konkurrenten. Bei diesem Vergleich schneidet Thyssen-Krupp nicht in allen Sparten gut ab. "Dann suchen wir nach Wegen, wie unser Zielunternehmen ebenso gut und erfolgreich werden kann", sagte Tischendorf unlängst in einem Interview und ergänzte: "Genauso haben wir es auch bei Thyssen-Krupp gemacht, und wir sind überzeugt, dass mit den richtigen Entscheidungen viel Potenzial gehoben werden kann."

SZ-Grafik; Quelle: Thyssen-Krupp (Foto: tzz)

Thyssen-Krupp-Chef Heinrich Hiesinger ist der Auffassung, dass der Ruhrkonzern vor allem seine Stärken ausspielen kann im Verbund der Sparten vom Stahl über den Anlagenbau, die Autoteile oder die Aufzüge. Dabei kann er auf die Unterstützung der Krupp-Stiftung unter Führung von Ursula Gather zählen. Die Mathematikprofessorin trat im Oktober 2013 nach dem Tod von Berthold Beitz die Nachfolge des legendären Patriarchen an.

Analysten und Aktionäre hegen freilich Zweifel, ob der Konzern angesichts einer Eigenkapitalquote unter neun Prozent alle seine Sparten so ausbauen und weiterentwickeln kann, dass sie auf Dauer wettbewerbsfähig sind. Zwar läuft es im operativen Geschäft zurzeit so gut, dass der Konzern mit seinen 155 000 Beschäftigten und 41 Milliarden Euro Jahresumsatz keine Verluste mehr schreibt. Doch jede weitere Verbesserung im laufenden Geschäft sei schwieriger zu erreichen, weil die Effekte eines internen Sparprogramms ausliefen und Thyssen-Krupp wegen der schwachen Bilanz externen Schocks wenig entgegensetzen könne, analysiert die Baader Bank.

So stehen dem Traditionskonzern spannende Zeiten bevor.

"In den nächsten ein bis zwei Jahren muss eine Entscheidung fallen, in welche Richtung sich der Konzern entwickeln soll", heißt es bei Investoren. Stahl oder kein Stahl mehr - vor allem diese Frage könnte die Aktionäre spalten. Da kann es von Vorteil sein, neue Verbündete im Aktionärskreis zu haben.

© SZ vom 26.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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