Thilo Bode zum Abendessen im Kanzleramt:Auf Ackermanns Fersen

Die Gästeliste der Geburtstagsparty des Deutsche-Bank-Chefs muss veröffentlicht werden - das hat Verbraucherschützer Thilo Bode erkämpft. Im Interview erklärt der Foodwatch-Chef, warum er sich nach der Lebensmittelindustrie nun den Banker vorknöpft.

Bastian Brinkmann

Es war ein Abendessen, das die Republik empörte: Schnitzel und Spargel standen auf der Karte, als Josef Ackermann, Chef der Deutschen Bank, im Jahre 2008 seinen 60. Geburtstag feierte. Im Kanzleramt, natürlich, auf Einladung von Angela Merkel (CDU) - und auf Kosten der Steuerzahler. Seit Monaten versucht Thilo Bode, Geschäftsführer bei Foodwatch, den Abend aufzuarbeiten und mehr Informationen vom Bundeskanzleramt zu bekommen. Bode, der als Privatmann klagt, beruft sich auf das Informationsfreiheitsgesetz - das amtliche Papiere eigentlich für jeden Bürger zugänglich machen soll. Doch das Bundeskanzleramt nutzt jedes Schlupfloch, das das Gesetz lässt: Die Liste der Ackermann-Gäste wurde nur geschwärzt herausgegeben, aus Persönlichkeitsgründen. Das Verwaltungsgericht Berlin hat nun entschieden, dass mehr Daten veröffentlicht werden müssen.

Verbraucherschützer Thilo Bode

Verbraucherschützer Thilo Bode: "Die Politik hat sich zum Dienstleister der Wirtschaft entwickelt."

(Foto: dpa)

sueddeutsche.de: Herr Bode, das Gericht hat Ihnen nur teilweise recht gegeben. Die Gästeliste muss das Kanzleramt rausrücken - doch der Terminkalender der Kanzlerin bleibt weiterhin tabu. Reicht Ihnen das?

Thilo Bode: Wichtig ist, dass das Gericht das Bundeskanzleramt verpflichtet, die Gästeliste zu veröffentlichen. Aus meiner Sicht ist es ein Unding, dass bei so einer Veranstaltung das private Interesse das öffentliche überwiegen soll. Dass der Terminkalender nicht herausgegeben wird, ist bedauerlich. Ich glaube, dass erst durch diese Veröffentlichung eine mögliche Nähe zwischen Politik und Finanzindustrie identifiziert werden kann, wenn wir uns die Wochen vor und nach diesem Abendessen anschauen. Interessant ist aber: Das Gericht hat anerkannt, dass der Kalender grundsätzlich Gegenstand des Informationsfreiheitsgesetzes sein kann.

sueddeutsche.de: Was tun Sie jetzt?

Bode: Das Verwaltungsgericht Berlin hat angedeutet, dass eine höchstrichterliche Entscheidung vonnöten ist. Berufung ist zugelassen worden. Diese werden wir prüfen, nachdem wir das Urteil analysiert haben. Uns hat nicht überzeugt, dass die äußere und innere Sicherheit der Bundesrepublik gefährdet sein sollen, wenn Termine von vor drei Jahren öffentlich gemacht werden. Es geht nicht um Treffen mit ausländischen Staatsgästen, es geht nicht um private oder Partei-Termine - sondern um eine bestimme Kategorie an Treffen.

sueddeutsche.de: Was stört Sie denn daran, dass die Kanzlerin sich mit Bankern trifft? Das gehört doch zu ihrem Beruf.

Bode: Das stimmt, aber es fehlt die Balance. Die offizielle Analyse der US-Finanzkrise, der Financial Crisis Inquiry Report, hat gezeigt, dass die Verflechtung von Finanzindustrie und Regierung eine wesentliche Ursache der Finanzkrise war. Aus den Treffen, die ein paar Wochen vor dem Ausbruch der Finanzkrise stattgefunden haben, könnten sich Hinweise ergeben, ob bei Krisenentscheidungen nicht unabhängig abgewogen wurde. Das Problem ist nicht der Lobbyismus, sondern dass bei politischen Entscheidungen die Interessen der Wirtschaft stärker wiegen als alles andere. Die getroffenen Entscheidungen sind immer zu Lasten der Allgemeinheit gegangen, die Banken wurden nicht wirklich zur Kasse gebeten. Die These ist: Die Politik hat sich zum Dienstleister der Wirtschaft entwickelt. Das betrifft die Finanzindustrie genauso wie die Landwirtschaft.

sueddeutsche.de: Der Landwirtschaftsindustrie auf die Finger zu schauen, ist - als Foodwatcher - Ihr Hauptberuf. Warum sind Sie jetzt Herrn Ackermann auf den Fersen?

Bode: Das ist erst mal nicht mit der Person verbunden, es geht hier ums Prinzip. Das Verfahren nach dem Informationsfreiheitsgesetz habe ich als Privatperson initiiert, nicht als Foodwatch-Vertreter. Aber der Finanzmarkt hat viele Ähnlichkeiten mit dem Lebensmittelmarkt. Die Verbraucherrechte sind genauso unterentwickelt wie der Anlegerschutz. Es ist Hobby und Job zugleich. Verbraucherrechte sind Bürgerrechte, genauso wie das Recht auf Informationsfreiheit.

sueddeutsche.de: Gründen Sie also bald Finanzwatch?

Bode: Das wäre überfällig. Aber dafür habe ich nicht genug Zeit.

Mit seiner Anwältin Katja Pink hat Bode zwei Essays zum Thema geschrieben, die in den Blättern für deutsche und internationale Politik erschienen sind: "Kapitalismus ohne Haftung" und "Die Finanzkrise als Demokratiekrise".

Die Bundesregierung wird die die komplette Gästeliste vorerst doch noch geheim halten. "Wir werden das Urteil prüfen. Dann wird entschieden, ob dagegen ein Rechtsmittel eingelegt wird", sagte ein Sprecher von Angela Merkel.

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