Telekom schließt Callcenter:Offener Brief des Kirchenmanns

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Wenn das Beten allein nicht mehr hilft: Ein Seelsorger kämpft gegen die Pläne der Telekom zur Schließung der Callcenter - und schreibt an Konzernchef Obermann.

C. Dohmen

Erwin Helmer kümmert sich als Betriebsseelsorger um Beschäftigte in Krisenbetrieben in Oberbayern. Seitdem vor zwei Wochen die Schließungspläne der Telekom für Callcenter durchsickerten, schaut der 55-jährige Kirchenmann dort regelmäßig im Weilheimer Callcenter vorbei, spricht mit den Mitarbeitern.

Wütender Protest: Die Telekom möchte Tausende Mitarbeiter "verschieben". (Foto: Foto: dpa)

39 Callcenter-Standorte macht der Konzern dicht, übrig bleiben 24. Niemand solle seinen Job verlieren, beteuert die Telekom. Allerdings sollen Tausende Beschäftigte lange Anfahrtswege in Kauf nehmen: Mitarbeiter aus Weilheim sollen ins 79 Kilometer entfernte Kempten pendeln, aus Passau ins mehr als 200 Kilometer entfernte Nürnberg.

Vielen werde nichts übrig bleiben, als zu gehen, sagt Helmer. Dann spricht er von den vielen Frauen, Teilzeitbeschäftigten und Schwerbehinderten in den Callcentern. Nach vielen Gesprächen hat er sich hingesetzt und als Sprecher der bayerischen Betriebsseelsorger einen offenen Brief an den Telekom-Chef René Obermann geschrieben, in dem er ihm ins Gewissen redet. "Eine Frau aus einem Callcenter sagte mir: Wie soll ich meine elfjährige Tochter versorgen, wenn ich in Schicht arbeite, meist kurze Schichten habe und der Weg zur Arbeit einfach zwei Stunden beträgt?"

Der Kirchenmann - ein Wiederholungstäter

Schon im vergangenen Jahr hatte der Kirchenmann einen offenen Brief an den Telekom-Chef geschrieben. Damals ging es um die Verlagerung von 50.000 Beschäftigten in eine neue Servicegesellschaft mit längeren Arbeitszeiten und geringeren Löhnen; dagegen streikten die Telekom-Beschäftigten vergeblich wochenlang. Obermann und Helmer diskutierten im April in der Talksendung von Maybrit Illner über die Maßnahmen des Konzerns. Und im Juli kam Obermann nach Weilheim, stellte sich einer Runde von je drei Betriebsseelsorgern, Betriebsräten und Mitarbeitern.

"Es war ein faires Gespräch, in dem wir auch über soziale Verantwortung gesprochen haben", sagt Helmer der Süddeutschen Zeitung. Sicher habe Obermann auf Zwänge für das Management hingewiesen - etwa auf den Druck der Anteilseigner. Gleichwohl habe er nach dem Gespräch die Hoffnung gehabt, die Telekom schlage einen anderen Kurs ein, der die Beschäftigten motiviere. Umso verärgerter ist Helmer nach dem Schließungsbeschluss für Callcenter nun auf Obermann: "Das ist unsozial und unverantwortlich." Dann zitiert er aus einem Schreiben des verstorbenen Papstes Johannes Paul II: "Ich weise auch darauf hin, dass eine Entscheidung, lieber an diesem als an jenem Ort, lieber in diesem und nicht in einem anderen Sektor zu investieren, immer auch eine moralische und kulturelle Entscheidung ist."

Unternehmensentscheidungen müssten geerdet sein, müssten die soziale Bindung des Eigentums erkennen lassen, fordert Helmer - und warnt: "Wirtschaft ohne Verantwortlichkeit droht auf die Stufe eines primitiven Kapitalismus abzusinken. Und ich meine beobachten zu können, dass die Widerstände in den Belegschaften und in der Öffentlichkeit langsam aber sicher aggressiver werden."

Ginge es nach ihm, würde die Telekom ihre vielen Standorte in der Fläche erhalten und die für den Umbau vorgesehenen 70 Millionen Euro dort investieren. Wie wäre es, definitiv und nachprüfbar das soziale Image des Konzerns zu verbessern?, fragt Helmer.

Er wartet nun auf eine Antwort von René Obermann.

© SZ vom 04.09.2008/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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