Start-ups:Frischzellen-Kur

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Ein Raum im Büro des Münchner Start-ups Konux, das Sensoren für vernetzte Maschinen herstellt. (Foto: Robert Haas)

Die Hannover Messe ist für etablierte Konzerne auch eine Möglichkeit, den Kontakt zu jungen Unternehmen zu finden - und künftig mit ihnen zusammenzuarbeiten.

Von Elisabeth Dostert, München

Junge Unternehmen sichern die Zukunft. "Wir sollten das Feld nicht Konzernen aus den USA und Asien überlassen", sagte BMW-Großaktionärin Susanne Klatten vor einigen Tagen in München. Sie selbst hat mit der "Unternehmertum" in Garching bei München 2002 ein Zentrum für Innovation und Gründung geschaffen, das nach eigenen Angaben rund 50 Start-ups hervorbringt, darunter auch Gründer im Maschinenbau. Eines dieser Start-ups ist Konux. Die Firma ist vier Jahre alt. Sie hat Sensoren entwickelt, mit deren Daten Maschinen und Anlagen vorausschauend gewartet werden können, schon bevor ein Problem auftaucht.

Auch die Industrieschau Hannover Messe sucht zusammen mit dem Bundesverband Deutsche Startups die besten Gründer-Teams. Jeden Tag dürfen junge Unternehmen in Halle 17 in Pitches gegeneinander antreten. Es gibt Preise und Kontakte zu Investoren, Kunden und Lieferanten.

Weltweit gibt es einige Tausend Start-ups im Maschinenbau, schätzt Nico Hartmann, Experte des Beratungsunternehmens Oliver Wyman. Er hat den Markt in einer Studie analysiert und 183 junge Unternehmen ausgemacht, die das Anfangsstadium hinter sich gelassen haben, jünger als fünf Jahre sind und mehr als eine Million Euro an Kapital bei Investoren eingesammelt haben. "Die Digitalisierung hat den Maschinenbau erreicht", sagt Hartmann. Sehr viel weiter fortgeschritten ist sie im B2C- Bereich, also im Geschäft von Unternehmen mit Endkunden, etwa dem Handel. Dass die Entwicklung im B2B-Bereich, also im Geschäft unter Unternehmen, länger dauerte, wundert Hartmann nicht: "Die Unternehmen müssen sicherstellen, dass ihre Daten nicht in die falsche Hände geraten, da kann man weniger experimentieren."

Etwa zehn Prozent der identifizierten Start-ups stammen aus Deutschland. Das entspreche in etwa dem Anteil der deutschen Unternehmen am weltweiten Umsatz mit Maschinen und Anlagen. "Mit Abstand" die meisten Start-ups sitzen in den USA, auch weil es dort "sehr viel risikofreudigere Investoren" gibt. Zu den prominenten Beispielen aus Deutschland gehört Relayr, eine Plattform für das Internet der Dinge. Sie ermöglicht es Industriekunden, die Daten, die sie aus ihren Geräten oder Maschinen auslesen, in der Cloud zu analysieren, miteinander zu verbinden und daraus neue Geschäftsmodelle zu generieren.

Zu den Produkten gehört auch der App-Baukasten Wunderbar, der Entwicklern helfen soll, Smartphones kabellos mit Gegenständen zu verbinden. Rund 100 Millionen Dollar hat Relayr bereits eingesammelt. An der jüngsten Runde im Februar im Volumen von 30 Millionen Dollar beteiligten sich B37, Purple Arch und Deutsche Telekom Capital Partners. Zu den Investoren gehört auch der Rückversicherer Munich Re. Relayr wurde 2013 gegründet und hat sich allein 2017 schon zwei Übernahmen geleistet: Neokami und Proximetry. Neokami will über künstliche Intelligenz Firmendaten schützen. Proximetry liefert auf einem Chip ein Betriebssystem. Darüber lassen sich aus der Ferne Daten auslesen und Maschinen und Anlagen aus der Ferne steuern.

Hartmann hat noch weitere zukunftsträchtige Start-ups im Maschinenbau ausgemacht, zum Beispiel Magazino. Das Unternehmen baut mobile Roboter für die Logistik. Mit Kameras werden nach Firmenangaben Produkte im Regal identifiziert und lokalisiert, gegriffen und präzise an ihrem Bestimmungsort wieder abgelegt. An dem Start-up aus München sind unter anderem Siemens und Zalando beteiligt.

Die Sensor-Firma Konux hat gerade eine neue Finanzierungsrunde über 20 Millionen Dollar abgeschlossen. Sie wird wie schon bei der Runde im Frühjahr von New Enterprise Associates angeführt, einem der weltweit größten Risikokapitalgeber. Zu den Investoren des Berliner Start-ups 3 Your Mind, einer Plattform für industriellen 3D-Druck, gehört der Maschinenbau-Konzern Trumpf.

Zwar sei auch die Innovationskraft vieler Konzerne groß, auch weil sie in junge Firmen investiert, sie ganz übernommen haben oder sich einen eigenen Inkubator leisten, sagt Hartmann. Anders als viele Konzerne seien die jungen Firmen häufig "schneller, agiler und risikofreudig."

In Next47 hat Siemens 2016 eine Einheit gegründet, die disruptive Ideen fördern soll. Ihr Name spielt auf das Gründungsjahr von Siemens 1847 an. Alle großen Konzerne suchen die Nähe zu Start-ups. "Sie können voneinander lernen und das beste aus zwei Welten zusammenbringen", sagt Berater Hartmann. Einen Rat an die Konzerne hat er auch: "Damit die Zusammenarbeit ein Erfolg wird, sollten die Konzerne den Start-ups die erforderlichen Freiheiten gewähren."

Kuka-Chef Till Reuter will Augsburg zu einem "Robot-Valley" ausbauen. 2019, so der Plan, soll im "Tal der Roboter" ein Campus entstehen. Schon bisher arbeitet der Augsburger Konzern, der zum chinesischen Haushaltsgeräte Midea gehört, eng mit Forschungseinrichtungen und Universitäten zusammen. Es gibt viele Projekte, eines davon ist Fast Robotics. Zusammen mit den Mittelständlern O&O und R3Coms, dem Fraunhofer Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung und der TU Dresden entwickelt Kuka ein Steuerungskonzept, über das Roboter untereinander, aber auch mit den Sensoren in ihrer Umgebung und mobilen Endgeräten drahtlos kommunizieren können. Im Projekt Murab sollen Leichtbauroboter bei der Diagnose von Krebs eingesetzt werden.

Beteiligungen und Übernahmen hat sich Kuka auch geleistet. Am Münchner Start-up Roboception hält der Konzern 25 Prozent. Die Ausgründung aus dem Institut für Robotik und Mechatronik des DLR entwickelt 3D-Kameras, die ihre Umgebung dreidimensional erfassen, und die Verarbeitungssoftware dazu. Mit Hilfe der Kameras können zum Beispiel Roboter durch Fabrikhallen, aber auch über Äcker navigieren oder Produkte identifizieren und lokalisieren.

© SZ vom 25.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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