Start-ups:Aufruf zur Einheit

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Auch in Europa gibt es eine lebhafte Internet-Gründerszene, wie viele Beispiele zeigen. Aber ein paar Nachteile hat der Standort hier doch. Zum Beispiel behindern die uneinheitlichen Regelwerke die Unternehmen.

Von Karl-Heinz Büschemann, Berlin

Gillian Tans ist offenbar nicht sicher, ob es besser ist, ein Unternehmen im niederländischen Enschede zu gründen oder im kalifornischen Silicon Valley. Die Niederländerin ist die Chefin von Booking, der internationalen Hotel-Buchungsplattform. Das ist eines der erfolgreichsten Internet-Unternehmen der Welt, das 14 000 Mitarbeiter hat und seit zehn Jahren in Amsterdam ansässig ist. Tans hält es für einen Vorteil, dass Booking seinen Anfang in Holland nahm. "In dem kleinen Land muss man als Start-up sofort international denken und auf ausländische Märkte gehen, um zu wachsen", sagt sie.

Aber ein paar Nachteile hat Europa für Unternehmensgründer, weiß sie. Die unterschiedlichen Gesetze der EU-Länder zum Beispiel: "Es ist wirklich schwierig, wenn man in jedem Land andere Regelungen hat, an die man sich anpassen muss", klagt die Booking-Chefin. US-Unternehmen mit dem großen Heimatmarkt hätten es leichter zu wachsen.

"Ihr Deutschen seid gut aufgestellt, ihr müsst die Führung übernehmen."

Ist es auch in der EU möglich, Gründungskultur zu schaffen, wie sie der legendäre Landstreifen Silicon Valley südlich von San Francisco besitzt mit Internet-Weltkonzernen wie Google, Apple oder Amazon? Wer die europäischen Internet-Unternehmer fragt, kann inzwischen viel Positives vernehmen. Zum Beispiel von Felix Haas, einem Münchner Internetfirmengründer und Investor. "Wir haben in mehreren deutschen Städten inzwischen eine hervorragende Start-up-Kultur", sagt Haas auf dem Wirtschaftsgipfel der SZ. Auch Stefan Franzke, Geschäftsführer von Berlin Partner, einer Wirtschaftsförderungsgesellschaft, die Neugründungen in der Hauptstadt auf die Beine helfen soll, sieht die Entwicklung positiv. "Es passiert in vielen Städten etwas", sagt Franzke. Allein in Berlin hätten Neugründungen vor sechs Jahren nur etwa 230 Millionen Euro Wagniskapital bekommen. Im vergangenen Jahr seien es schon 2,3 Milliarden Euro gewesen. Inzwischen kämen selbst aus Großbritannien junge Firmen nach Berlin. Bernardo Hernandez, spanischer Internet-Unternehmer, Investor und Partner der Investment-Firma e.ventures, kann dem zustimmen. "Die Szene in Europa hat sich schnell verändert", weiß Hernandez. Aber auch das Silicon Valley habe hundert Jahre gebraucht, um zu werden, was es heute ist. "Wir brauchen Geduld." In 20 Jahren könne Europa etwas Ähnliches haben wie das Silicon Valley. Man müsse es aber richtig machen.

Der Spanier bedauert, dass die Start-up-Szene in Europa über den ganzen Kontinent verstreut ist. Es gebe Zentren wie London, Berlin, Barcelona und zu viele andere Orte. "Ich würde das konzentrieren", sagt Hernandez, denn das sei effizienter. Und wo? Er plädiert für Berlin. Im Adlon ruft er vom Podium: "Ihr Deutschen seid gut aufgestellt, ihr müsst die Führung übernehmen." Die Verzettelung der Kräfte in Europa könne teuer werden. Allerdings ist auch der Internetinvestor überzeugt, dass es für einen Erfolg der Gründerszene nötig sei, die Gesetze zu vereinfachen. "Europa muss die Regelwerke vereinheitlichen", sagt er.

Es wird noch dauern, bis es in Europa eine Start-up-Szene gibt, die mit dem Silicon Valley vergleichbar wäre. Aber die Frage ist, ob das überhaupt sein muss. Der Gründerlandstrich südlich von San Francisco mit seiner Größe von 40 Quadratmeilen überschüttet Neugründungen jedes Jahr mit 40 Milliarden Dollar Gründungskapital. In Deutschland gibt es zur Zeit nur etwa 4,3 Milliarden Euro sogenanntes Venture Capital.

Das aber sieht der Gründer und Investor Felix Haas nicht als Mangel. Deutschland sei anders als Amerika. "Wir werden hier nicht das eine Silicon Valley haben", sagt er. Hier werde kleiner gedacht als in den USA. Es gebe aber genug Geld für Gründer. Er sei sicher, dass es auch in Deutschland in den kommenden 15 Jahren Erfolgsgeschichten geben werde. Man könne auch gute Geschäfte mit Ideen machen, die nicht gleich wie Google oder Amazon die Welt erobern.

© SZ vom 21.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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