Start-up:Roboter mit Gefühlen

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Die Firma Synapticon entwickelt komplexe Sensorsysteme und ist damit auf Wachstumskurs.

Von Norbert Hofmann

Roboter sind längst nicht mehr nur ein Thema für Science-Fiction-Filme. In der Realität fertigen und transportieren sie bereits Industrieteile in Betrieben oder mähen den Rasen vor Einfamilienhäusern. Jede Anwendung hat allerdings ihre eigenen Tücken. Wer da Lösungen zu mehr Effizienz bietet, kann schnell zu einer gefragten Adresse werden. Der in Filderstadt ansässige Robotik-Spezialist Synapticon hat binnen weniger Jahre Kunden in Asien, Europa und den USA gewonnen.

Die von dem Unternehmen entwickelten und auf einer Plattform bereitgestellten Module und Chips ermöglichen die Vernetzung von Hard- und Softwarekomponenten. So wie Nerven die Muskeln des Menschen steuern, können Roboter damit auf Berührungen reagieren, mit ihrer Umgebung kommunizieren und schnell die ihnen aufgegebenen Produktionsabläufe lernen. "Wir liefern der Robotik ein peripheres Nervensystem", sagt Nikolai Ensslen, geschäftsführender Gesellschafter und einer der drei Gründer der Firma. So könnten Motoren und Sensoren relativ einfach in komplexe Steuerungen integriert und intelligent verwendet werden. Und Unternehmen können ihre Prototypen schneller bauen und die Serienproduktion günstiger starten. Firmen aus China gehören zu den Kunden ebenso wie Maschinenbauer in Deutschland und renommierte Adressen wie Airbus und Kuka.

Die Roboter können Menschen schneller erkennen und Verletzungen vermeiden

Geholfen auf dem Weg zum Wachstum hat ein breit gefächertes Instrumentarium aus Beteiligungs- und Fremdkapitalfinanzierungen. Dabei ist es noch gar nicht so lange her, dass das 2010 gegründete Unternehmen noch Schwierigkeiten hatte, auch nur ein Geldinstitut für die Eröffnung des ersten Geschäftskontos zu begeistern.

Gefunden hat sich mit dem privaten Bankhaus Gebr. Martin in Göppingen dann ein Partner, der passend zum Jahresumsatz von 120 000 Euro einen von der Bürgschaftsbank Baden-Württemberg besicherten Kontokorrentkreditrahmen bereitstellte. Das Vertrauen hat das junge Technologieunternehmen, das mit Eigenmitteln, einer Förderung aus dem Exit-Gründerstipendium des Bundes und Mitteln aus dem Landesförderprogramm "Junge Innovatoren" gestartet war, schnellgewonnen. Die ersten Umsätze flossen aus Software-Dienstleistungen für Dritte, zunehmend aber auch aus der heute so gefragten Technologieplattform.

"Uns war aber schnell klar, dass der eigene Cashflow für die weitere Entwicklung nicht reichen würde und wir zusätzliches Kapital mobilisieren mussten", sagt Ensslen. An die Chancen des Start-ups glaubte der vom Bund initiierte Hightech-Gründerfonds, der 2012 gemeinsam mit der Mittelständischen Beteiligungsgesellschaft Baden-Württemberg (MBG) und dem vom Land initiierten Seedfonds BW investierte. Ein weiterer Kapitalgeber war das Family Office von Günter Lang, einem Unternehmer aus dem Bereich der Automatisierungstechnik.

Insgesamt flossen in dieser ersten Finanzierungsrunde etwa 800 000 Euro in Form von Nachrangdarlehen in das Unternehmen. Die - wegen des für einen Start-ups typischen Risikos - über dem Marktdurchschnitt liegenden Zinsen der Wandeldarlehen waren vier Jahre garantiert und mussten auch erst nach dieser Zeit zurückgezahlt werden. Die Investoren erhielten dafür einen Anteil von 23 Prozent am Stammkapital sowie eine Wandeloption. Das heißt: Sie konnten die Rückzahlung fordern oder ihr Darlehen in Eigenkapitalanteile am Unternehmen wandeln.

Bereits 2013 bewegten sich die Umsätze nahe der Millionengrenze. 2015 hatte sich der Umsatz noch einmal verdoppelt und das Unternehmen arbeitete profitabel. Synapticon hatte seine Position im Markt gefunden. "Was ein Traditionsunternehmen wie Bosch für die Automobilindustrie ist, wollen wir mit unserer technologischen Kompetenz als Zulieferer und Serviceanbieter für die Roboterindustrie sein", sagt Ensslen.

Das Bankhaus Gebr. Martin begleitete die Entwicklung mit einer entsprechenden Ausweitung des Kontokorrentrahmens. Dennoch zeichnete sich schnell weiterer Kapitalbedarf ab. Denn Synapticon ist heute in der Lage, sein Geschäftsmodell auf unterschiedliche Endprodukte anzuwenden. Dazu gehören Industrieroboter, insbesondere solche, die mit Menschen zusammenarbeiten. Einer der Vorteile ist dabei, dass das berührungssensitive "Nervensystem" unerwünschte Berührungen von menschlichen Mitarbeitern rechtzeitig erkennt und so auch Verletzungen vermeidet. Weitere Endprodukte sind für den Materialtransport in der Industrie sowie Systeme für Endverbraucher wie etwa die Rasenmähroboter. "Die Auftragslage übersteigt unsere vorhandenen Kapazitäten, die wir deshalb jetzt mit frischem Geld ausbauen müssen", sagt der Firmenchef.

Doch heute kommen Investoren von sich aus auf die Spezialisten zu. Sie stellten im Februar einen hohen einstelligen Millionenbetrag zur Verfügung. Einer der Kapitalgeber ist 7 Industries, das Family Office der milliardenschweren israelischen Unternehmerfamilie um Ruthi Wertheimer, das gerne in mittelständische Firmen investiert. Das Family Office war durch den Hinweis eines Privatbankiers auf Synapticon aufmerksam geworden. Ebenfalls aus eigenem Antrieb hat sich ein Maschinenbauunternehmen aus dem Raum Stuttgart an dieser Finanzierungsrunde beteiligt. Und der HTGF und die MBG Baden-Württemberg haben ihr Engagement noch aufgestockt.

Insgesamt halten nun Investoren und die Firmengründer jeweils die Hälfte der Anteile. Doch auch Bankkredite haben das Wachstum finanziert. So stellte die Deutsche Bank einen über mehrere Monate laufenden Brückenkredit zur Verfügung. Die Bankverbindung wird jetzt auch eine wichtige Rolle beim Ausrollen des Geschäfts in Fernost spielen. "Die Deutsche Bank mit ihrer Asienpräsenz wird uns bei Gründung und Finanzierung von Niederlassungen für Vertrieb und Kundensupport in China zur Seite stehen", sagt Ensslen. Eine ausländische Niederlassung existiert bereits im Silicon Valley. Der Zahlungsverkehr läuft über die Silicon Valley Bank, finanziert wird die US-Tochter von der Muttergesellschaft in Deutschland.

Das Kundenpotenzial und die Chancen auf internationalen Märkten stimmen den Firmenchef optimistisch. In den nächsten drei bis fünf Jahren soll der Umsatz auf etwa 20 Millionen Euro steigen und das Unternehmen nachhaltig profitabel sein.

© SZ vom 09.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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