Stahl:Thyssenkrupp-Chef Hiesinger kündigt Rücktritt an

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  • Thyssenkrupp-Chef Heinrich Hiesinger will zurücktreten.
  • Das bestätigt der Konzern, am Freitag soll darüber beraten werden.
  • Dass Hiesinger der Rückhalt der Investoren abhanden gekommen ist, zeigte sich bereits vergangenen Freitag, als der Aufsichtsrat über die Stahlfusion entschied.

Von Benedikt Müller, Düsseldorf

Noch am Montag lächelte Heinrich Hiesinger gelöst in die Kameras von Fotografen und Fernsehteams aus aller Welt. Da verkündete der Thyssenkrupp-Chef feierlich, dass er eine Lösung für die krisenanfällige Stahlsparte des Traditionskonzerns gefunden habe: Während US-Präsident Donald Trump die darbende amerikanische Stahlindustrie mit höheren Zöllen vor Billigimporten aus Asien zu schützen versucht, proklamierte Hiesinger eine europäische, unternehmerische Lösung: Thyssenkrupp lagert seine Stahlwerke in ein Gemeinschaftsunternehmen mit dem Konkurrenten Tata Steel Europe aus, das als "starke Nummer zwei" all die Schwankungen des Stahlmarkts bewältigen soll. "Nach zwei Jahren Verhandlungen fühle ich mich gut", sagte Hiesinger. "Dies ist ein wichtiger Meilenstein für Thyssenkrupp."

Damals ahnte niemand, dass der 58-Jährige nur drei Tage später seinen Rücktritt ankündigen sollte: Hiesinger will sein Amt als Vorstandschef abgeben. Dies gab Thyssenkrupp am Donnerstagabend bekannt. Der Aufsichtsrat soll an diesem Freitag über die Personalie entscheiden.

Der frühere Siemens-Manager hat zwar Thyssenkrupp vor dem Ruin gerettet und eine vernünftige Lösung für die Stahlsparte gefunden. Doch seine Vision eines starken Industriekonzerns, der sein Geld mit Aufzügen, Autoteilen und Großanlagen verdient, kann Hiesinger nicht mehr umsetzen. Er beugt sich offensichtlich der anhaltenden, öffentlichen Kritik seiner eigenen Investoren.

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Vorstandschef Heinrich Hiesinger ringt um seine Pläne für Thyssenkrupp. Investoren und Betriebsräte äußern neue Bedenken, was die geplante Stahlfusion mit Tata betrifft.

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Der Schwabe steht seit sieben Jahren an der Spitze des Traditionskonzerns

"Ich gehe diesen Schritt bewusst, um eine grundsätzliche Diskussion im Aufsichtsrat über die Zukunft von Thyssenkrupp zu ermöglichen", sagt Hiesinger in seiner wohl letzten Mitteilung als Vorstandschef. "Ein gemeinsames Verständnis von Vorstand und Aufsichtsrat über die strategische Ausrichtung des Unternehmens ist Voraussetzung für eine erfolgreiche Unternehmensführung." Diesen Rückhalt hat Hiesinger offenbar verloren.

Der Schwabe steht seit sieben Jahren an der Spitze des Traditionskonzerns. Als er als Vorstandschef antrat, hatte Thyssenkrupp gerade mehrere Milliarden in einem verlustreichen Stahlwerk im brasilianischen Sumpf versenkt. Bis heute leidet der Konzern unter den Schulden von damals. "Der Vorstand unter Leitung von Heinrich Hiesinger hat Thyssenkrupp aus einer existenzbedrohenden Krise befreit", würdigt Aufsichtsratschef Ulrich Lehner am Donnerstag die Verdienste des Vorstandschefs. "Ohne Heinrich Hiesinger würde es Thyssenkrupp nicht mehr geben."

Der promovierte Ingenieur verkaufte krisenanfällige Sparten wie den Edelstahl. Er tauschte 70 Prozent der Führungskräfte des Konzerns aus, da nicht wenige damals unter Korruptionsverdacht standen. "Thyssenkrupp ist heute ein ganz anderes Unternehmen mit Blick auf Kultur, Werte und Leistungsfähigkeit", blickte Hiesinger am Donnerstag selbst zurück. "Auf das, was wir bis heute erreicht haben, können wir stolz sein."

Doch geht der Umbau gleich mehreren, wichtigen Aktionären nicht weit genug. Kaum hatte Thyssenkrupp am Wochenende die Stahlfusion mit Tata besiegelt, erhöhte etwa der schwedische Investor Cevian den Druck auf Hiesinger und forderte weitere Abspaltungen: "Thyssenkrupp ist mit der Strategie des Konglomerats und seiner Matrix-Organisation gescheitert", sagte Cevian-Gründer Lars Förberg. Die Firma hält mehr als 15 Prozent der Aktien des Traditionskonzerns. Diese könnten an der Börse längst 50 Euro wert sein, polterte Förberg, wenn der Vorstand nur die richtigen Entscheidungen treffen würde. Derzeit notiert das Papier unter 22 Euro.

Eigentlich wollte Hiesinger eine neue Strategie für Thyssenkrupp vorstellen

Im Frühjahr ist zudem der berüchtigte Fonds Elliott bei Thyssenkrupp eingestiegen. Elliott hält bislang zwar weniger als drei Prozent der Aktien. Der Fonds des US-Investors Paul Singer ist jedoch dafür bekannt, bei vermeintlich unterbewerteten Unternehmen einzusteigen, öffentlich die Entlassung führender Manager zu fordern, um die Aktien letztlich mit möglichst schnellem Gewinn zu verkaufen.

Eigentlich wollte Hiesinger Anfang nächster Woche seine neue Strategie für Thyssenkrupp vorstellen. Darin plante er ausdrücklich keine Zerschlagung des Traditionskonzerns: Hiesinger glaubt an die Vorteile eines Konzerns, der aus mehreren Sparten besteht. Öffentlich stellte Hiesinger lediglich geschärfte Finanzziele für Thyssenkrupp in Aussicht. Nun vermuten Insider, dass Hiesingers Strategie Investoren bereits in einzelnen Vorgesprächen enttäuscht haben dürfe.

Dass ihm der Rückhalt der Investoren abhanden gekommen ist, zeigte sich bereits vergangenen Freitag, als der Aufsichtsrat über die Stahlfusion entschied. Gleich mehrere Vertreter der Kapitalseite stimmten demonstrativ nicht zu. Von einer "überwältigenden Zustimmung" konnte Hiesinger im Anschluss nur sprechen, weil seine Arbeitnehmerbank geschlossen für die Stahlfusion stimmte, die Thyssenkrupp mit weitreichenden Garantien für die Stahlarbeiter ausstattete.

Noch am Dienstag sprach Hiesinger in Essen vor den Führungskräften seines Konzerns. Teilnehmern zufolge wirkte er auffällig gelöst, als er die Veränderungskraft von Thyssenkrupp beschwor. Nun könnten dem Ruhrkonzern weitere Umbrüche bevor stehen.

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