Silvesterraketen:Knalliges Geschäft

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Die Brot-und-Böller-Diskussion ist durch: In Deutschland werden mehr als 100 Millionen Euro für Raketen verpulvert. Firmen wie Comet Feuerwerk müssen ihren Jahresumsatz an nur drei Tagen machen - und fürchten sich vor Regen und Nebel.

Kristina Läsker, Bremerhaven

Wer Schwarzpulver für das einzige Geheimnis von China-Böllern hält, der irrt. Klebstoff gehört auch dazu. "Je besser ich Kanonenschläge verleime, desto lauter ist der Knall." Eckhard Tischer kommt langsam in Fahrt. In einer Lagerhalle wirft der oberste Pyrotechniker der Comet Feuerwerk GmbH mit dem Beamer die Bilder von Böllern an die Wand und rasselt chemische Details herunter. Wie eben jenes, dass Kracher anständig verleimt sein müssen. Damit die Papierhülle dem schnellen explosiven Druck möglichst lang widersteht.

Auch bei der Silvesterparty am Brandenburger Tor wird kräftig geballert. (Foto: dpa)

Aber eigentlich will Tischer das lieber vorführen. Zügig treibt der 57-Jährige die Kameraleute und Reporter hinaus aus der Halle auf die Wiese. Es ist ziemlich dunkel im Gewerbegebiet von Bremerhaven. In der Nähe drehen sich Windräder, hinter dem Deich mündet die Weser in die Nordsee. Kein Regen, kein Nebel - all das hat der Firma Comet in den vergangenen Jahren schon häufiger das Musterschießen versaut. Doch an diesem Dezemberabend 2011 spielt das Wetter mit. Es ist klar und kalt, eine ideale Kulisse für Tischer, der früher Sprengstoffe betreut hat. Bekleidet mit gelber Warnweste kann er nun die Salven vorführen, die zum Jahresende auf Deutschland niederprasseln sollen.

Es wartet ein bombiges Geschäft. Etwa 113 Millionen Euro haben die Deutschen in der vergangenen Silvesternacht in die Luft gejagt. Sie haben Tausende Böller gekauft, Raketen, Wunderkerzen, Sonnenräder, Knallfrösche, Feuerfontänen. Klaus Gotzen kennt die Vorlieben der Deutschen beim Zündeln. "Die meisten kaufen ein Familienset für zehn bis 20 Euro", sagt der Chef des Verbands der pyrotechnischen Industrie. Aber nicht nur. Es gibt auch diese Feuervernarrten, die Knallerketten kaufen und ganze Batteriefeuerwerke. Solche Menschen machen die Feuerwerksfirmen glücklich. Gotzen jedenfalls hofft sehr darauf, dass möglichst viele in diesem Jahr aufrüsten - und dass das Wetter mitmacht. "Regen ist ein Raketenkiller."

Ansonsten stehen die Chancen gut: In der jüngsten Zeit hat es keine Terroranschläge in Europa gegeben, keine Katastrophen wie den Tsunami 2004/2005 oder andere Unglücke. Nichts also, was die Menschen bewegen könnte, der Moral zuliebe mehr zu spenden und weniger zu knallen.

Und die Brot-statt-Böller-Diskussion? "Die ist durch", sagt Richard Eickel, Chef von Comet Feuerwerk. Eickel wirkt erleichtert darüber. Er habe nie verstanden, warum die Hilfsgelder ausgerechnet zulasten der Feuerwerksbranche gezahlt würden, sagt er. Warum sie nicht woanders abgeknapst würden. "Sollen die Menschen an Silvester doch weniger Champagner trinken."

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Das dürfte auch Eckhard Tischer so sehen. Eifrig scheucht er seine Helfer auf der Wiese umher. Eben noch haben sie in der Halle über die Formen von Raketen philosophiert - und wie man dafür die Bombetten bauen muss: Damit die Funken der Raketen wie Fische wuseln, wie Blätter vom Baum fallen oder geschmeidig umherwirbeln. Nun zischen die Originale in die Nacht. Es knistert, sprüht und sirrt. Silberne Streifen erleuchten die Windränder. Fast andächtig spricht Pyrotechniker Tischer die Namen der Geschosse ins Mikrofon: " Firefront - 16 Schuss. Höllenmaschine - 30 Schuss, Overdose - 254 Schuss." So klingt Liebe zur Explosion.

Während es draußen kracht, sausen drinnen im Lager leise die Gapelstapler umher. An den Ausgängen türmen sich Kartons, auf denen Speed Racer steht, Trip to Hell oder Galaxy Master. Viele Tausend Paletten schickt Comet in den kommenden Tagen noch auf Lastwagen durch die Republik. Zu Penny, Rewe oder Metro. Seit Anfang Dezember herrscht Hochbetrieb, niemand will Zeit verlieren. Am 29. Dezember morgens müssen die Pakete in den Läden liegen. Dann beginnt die Schlacht.

Drei Tage lang dürfen in Deutschland jedes Jahr Feuerwerkskörper verkauft werden. 72 Stunden, in denen Firmen wie Comet ihren gesamten Jahresumsatz hereinholen müssen. Was jetzt nicht verkauft wird, muss wieder zurück ins Lager - bei Comet etwa ein Viertel der Ware. Kaum ein anderes Geschäft ist saisonal so heikel wie die Pyro-Branche.

Den begehrten Markt teilen sich vier Unternehmen, Comet ist die Nummer zwei nach Weco. Die Norddeutschen haben sich in den vergangenen Jahren einen Marktanteil von 25 Prozent erobert. Anders als Branchenprimus Weco produziert Comet aber nicht in Deutschland. Die Ware kommt komplett aus China. "Wir sind eigentlich ein Logistikunternehmen", sagt Firmenchef Eickel.

Der Betrieb hat sich in den letzten sieben Jahren stark verändert: Früher gehörte Comet zum Nürnberger Rüstungskonzern Diehl und verkaufte auch Munition für die Bundeswehr. Ende 2004 wurde die Feuerwerksfirma - sie machte damals Verluste - vom weltweit größten Beschaffungskonzern Konzern Li & Fung aus Hongkong übernommen. Ein perfekter Vertriebskanal für all die explosive Ware aus den eigenen Fabriken, mögen sich die Chinesen gedacht haben.

Doch es sollte mehrere Jahre dauern, bis Comet wieder Gewinne einbrachte. Als neuer Geschäftsführer habe er vieles umgekrempelt, erzählt Eickel. Bis auf wenige Artikel flogen fast alle alten Produkte aus dem Sortiment. "Wir waren gut, aber andere waren damals besser." Seither bringt Comet jedes Jahr mehr als 20 neue Feuerwerkskörper auf den Markt. Zwei bis drei Mal pro Jahr fliegt Eickel selbst nach China, um auf die Qualität zu schauen. Doch nicht nur das. Anstelle biederer Familien bewerben heute vollbusige Frauen die explosive Ware. Das zieht. Der Absatz kletterte auf 55 Millionen Euro, in der Hochsaison arbeiten bis zu 170 Menschen im Betrieb. "Wir sind wieder profitabel", so Eickel.

Richtig zur Ruhe wird der Geschäftsführer wohl erst im neuen Jahr kommen. Denn auch für ihn gehört die Periode zwischen dem 29. und dem 31. Dezember zu den wichtigsten des Jahres. An diesen drei Tagen schlendert Eickel persönlich durch die Läden und verweilt an den Tischen mit den Raketen. Dann schaut er Kunden beim Kauf zu und lauscht ihren Gesprächen. Dabei hatte er schon so manche zündende Idee.

© SZ vom 27.12.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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