Siemens:Zukauf wider Willen

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Nach der Übernahme eines spanischen Windrad-Herstellers dürfte Siemens auch in Frankreich zuschlagen - aus Zwang. Und mit dem Kauf des Windradgeschäfts von Areva handeln sich die Münchner auch ein paar Probleme ein.

Von Leo Klimm, Paris

Nach der Übernahme des spanischen Unternehmens Gamesa vor drei Monaten steht Siemens vor einem weiteren Zukauf in der Windbranche. Der Pariser Areva-Konzern wird an diesem Mittwoch den Verkauf seiner Sparte für Offshore-Windräder an Gamesa beschließen - und damit indirekt an Siemens. Entsprechende Berichte französischer Medien werden von Insidern bestätigt. "Danach liegt es an Siemens, einen echten europäischen Windkraft-Airbus zu formen", heißt es in Paris.

Tatsächlich vollendet Marktführer Siemens mit der Übernahme des Windgeschäfts der Franzosen ein europäisches Konglomerat für erneuerbare Energien. Dabei war das gar nicht der Plan von Konzernchef Joe Kaeser. Er lässt sich mehr aus Zwang denn aus ehrlichem Interesse mit Areva ein: Während es Siemens auf das Gamesa-Geschäft mit Windmühlen an Land abgesehen hatte, wurde der deutsch-spanische Deal monatelang von den Franzosen blockiert, die mit Gamesa eine Gemeinschaftsfirma für Windräder auf hoher See unterhalten. Diese Firma interessiert Kaeser weniger, da Siemens angesichts eines Anteils von 63,5 Prozent an der europäischen Offshore-Stromerzeugung die zusätzlichen Fertigungskapazitäten von Areva kaum benötigt. Der Zuwachs an Marktmacht wird eher die EU-Wettbewerbshüter auf den Plan rufen. Und eine starke Großturbine mit acht Megawatt Leistung, wie sie Areva bietet, entwickelt Siemens selbst. Um die Blockade der Gamesa-Übernahme aufzulösen, entschied sich Kaeser dennoch, die Franzosen herauszukaufen. Die nehmen sein Angebot nun dankend an, zumal Siemens-Erzrivale General Electric (GE) entgegen erster Interessenbekundungen kein belastbares Gebot unterbreitete.

Der Zuwachs an Marktmacht könnte die Wettbewerbshüter der EU auf den Plan rufen

Siemens zahlt nur 60 Millionen Euro für die Offshore-Aktivitäten von Areva. Ein Preis, der im Maßstab des Konzerns kaum der Rede wert ist. Wären da nicht die Risiken und Verpflichtungen, die Siemens mit übernimmt: Arevas Offshore-Sparte schreibt Verluste, allein 2015 kostete sie das Unternehmen 216 Millionen Euro. Darüber hinaus soll sich Siemens frühere Areva-Zusagen über neue Jobs in Frankreich zu eigen gemacht haben. Demnach muss Siemens in Le Havre zwei Fabriken bauen, die rund 750 Menschen beschäftigen werden. Diese Garantien gab Areva einst, um den Zuschlag für drei Windparks zu erhalten, die vor der französischen Nord- und Westküste entstehen. Siemens bekommt auch Zugriff auf laufende oder geplante Vorhaben von Areva in der Nord- und Ostsee. Darunter das Projekt "Wikinger", der weltweit größte Windpark in tiefem Wasser. Solche Großprojekte bedeuten Finanzrisiken. Für sie wird Areva weiterhin mit bis zu 330 Millionen Euro haften.

Areva wäre ohne Rettung durch den Staat schon Pleite, weil das Kerngeschäft mit Atomreaktoren Milliardenverluste verursacht. Mit dem bevorstehenden Wind-Deal ist nun auch Frankreichs Versuch gescheitert, eine eigene Windkraft-Industrie aufzubauen: Arevas Offshore-Räder geraten unter deutsch-spanische Kontrolle. Die Energiesparte des Alstom-Konzerns ging schon vor zwei Jahren an GE. Das Geschäft zwischen Siemens, Gamesa und Areva wirft aber auch die Frage auf, ob die Standortgarantien für Le Havre nicht Jobs in Deutschland gefährden: Kern der Areva-Windsparte sind bislang nämlich Fabriken in Bremerhaven und Stade.

© SZ vom 14.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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