Siemens:Wenn die Luft dünn wird

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Vier Jahre ist Joe Kaeser Chef, er hat den Konzern nach vorne gebracht. Jetzt verlängert er bis 2021 und plant mehr Umbauten.

Von Caspar Busse, München

Es war sommerlich heiß an diesem letzten Juli-Wochenende 2013. Bei Siemens ging es hoch her, der Aufsichtsrat kam in München zu einer Krisensitzung zusammen - und traf weitgehende Beschlüsse. Am Ende musste der Vorstandsvorsitzende Peter Löscher gehen, zu seinem Nachfolger wurde Joe Kaeser ernannt. "Ich werde nicht versuchen, Siemens neu zu erfinden, das ist auch gar nicht nötig", sagte der damals bei seinem Amtsantritt.

Das ist genau vier Jahre her. Kaeser, 60, hat viel verändert und kann eine ordentliche Bilanz vorweisen: Die Stimmung ist wieder gut, die Zahlen ordentlich, der Aktienkurs ist, auch nach dem jüngsten Rückgang, deutlich höher als 2013. Als "Garant der Stabilität in zunehmend unruhigen Zeiten" bezeichnete am Donnerstag Gerhard Cromme den Siemens-Chef. Der scheidende Aufsichtsratsvorsitzende, der Anfang 2018 durch den ehemaligen SAP-Boss Jim Hagemann Snabe ersetzt werden soll, gab Kaeser damit Rückendeckung und verlängerte dessen Vertrag bis Anfang 2021.

"Ich blicke zuversichtlich nach vorn", sagte Kaeser, trotz weltwirtschaftlicher Verwerfungen und der Schwierigkeiten, in denen sich auch Konkurrenten wie General Electric (GE) oder ABB befinden. "Die Luft wird natürlich dünner", räumte er ein und fügte - nicht ganz ohne eine Portion Eigenlob - hinzu: "Weil wir in neuen höheren Regionen unterwegs sind."

Kaeser hat also noch einmal dreieinhalb Jahre Zeit an der Spitze von Siemens - und kündigte zugleich weitere Umbaumaßnahmen für das 170 Jahre alte Unternehmen an. Für das erste Halbjahr 2018 sei nun der Börsengang der Gesundheitssparte, die den Namen Healthineers trägt, angepeilt, ob in den USA oder in Deutschland, ist noch offen. Der Bereich ist nach dem klassischen Kraftwerksbau nicht nur der größte, sondern auch der ertragsstärkste. Es wäre eine der größten Börsengänge der vergangenen Jahre, der Wert der Sparte wird auf bis zu 40 Milliarden Euro geschätzt. Der vorgesehene Verkauf von Aktien dürfte dann Milliarden in die Siemens-Kassen bringen. Diese würden für weiteres Wachstum und für mögliche Akquisitionen ausgegeben werden, sagte der zuständige Siemens-Vorstand Michael Sen. Die Aussichten seien gut, der Gesundheitsbereich werde immer wichtiger. "Jeder wird in Zukunft sein eigener Arzt sein", sagte Sen. Siemens ist insbesondere bei Magnetresonanz- und bei Computertomografen stark. Ausgebaut werden soll der Bereich Labordiagnostik. Der Münchner Konzern werde aber die Mehrheit an dem Geschäft behalten, wurde betont.

Ob Siemens sich so in Zukunft zu einer reinen Holding weiterentwickeln werde, ließ Kaeser am Donnerstag offen. 2018 versprach er "präzisere Antworten" dazu. Doch schon jetzt sind wichtige Bereiche vergleichsweise autonom. So ist die Windenergie bei der börsennotierten Siemens-Gamesa gebündelt, die Gesundheitstechnik wird später eine Börsenfirma sein, möglicherweise ist das auch für den Bereich "Digitale Fabrik" geplant. Kaeser spricht von einem "Flottenverbund". Andere Konzerne mit mehreren unterschiedlichen Geschäftsfeldern wie etwa ABB waren zuletzt unter den Druck sogenannter aktivistischer Investoren geraten, die eine Aufspaltung forderten. Dem will Kaeser offenbar mit seinem Umbau zuvorkommen.

Während es in der Gesundheitssparte im abgelaufenen Quartal gut lief, schnitt der Rest von Siemens schlechter ab als im Vorfeld erwartet. Auch deshalb ging der Aktienkurs nach unten. Der Umsatz erhöhte sich auf vergleichbarer Basis um drei Prozent, der Auftragseingang ging um neun Prozent zurück. Der Gewinn vor Steuern verbesserte sich um sieben Prozent. Im laufenden Quartal - es ist das letzte des Geschäftsjahres 2016/17, das am 30. September endet - zeichne sich aber bereits ein "deutlicher Anstieg" der Aufträge ab, hieß es. "Wir sind voll auf Kurs und steuern auf ein neues operatives Rekordjahr zu", versprach Kaeser. Er räumte aber auch ein, dass insbesondere die Energiesparte mit Problemen zu kämpfen habe. Es seien weitere "Kapazitätsanpassungen" nötig, das könnte wohl auch Personalabbau bedeuten. Insbesondere in dem Geschäft mit Windkraftanlagen sei er nicht zufrieden, so Kaeser. Der Bereich bleibe "deutlich unter seinen Möglichkeiten". In Russland gab es zuletzt große Probleme mit der Lieferung von Gasturbinen, die auf die Krim gebracht worden sind. Das wäre ein Verstoß gegen die Wirtschaftssanktionen gegen Russland. Kaeser sagte, es sollten nun nicht alle russischen Geschäftspartner unter Generalverdacht gestellt werden. Der Umsatz in dem Land ging zuletzt zurück.

Sehr unbestimmt äußerte sich Kaeser auch zum Bahntechnik-Geschäft. Hier wird seit Längerem über ein Zusammengehen mit dem in Schwierigkeiten steckenden Konkurrenten Bombardier spekuliert. "Natürlich wird man eine starke Nummer zwei bauen müssen", sagte Kaeser. Die Branche müsse darauf reagieren, dass in China ein sehr starker Konkurrent entstanden sei. "Aber ich würde nicht darauf wetten, dass es schnell geht", betonte er.

Dann musste der Chef schnell weg, zu einem Kunden, der einen Großauftrag im Kraftwerksbereich vergeben will.

© SZ vom 04.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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