Siemens:Schöne Überraschung

Lesezeit: 3 min

Das Geschäft mit Turbinen läuft schlecht, Siemens streicht Stellen - etwa am Standort Görlitz. (Foto: Jürgen Lösel/dpa)

Dank des schwachen Euro hat Siemens im dritten Quartal besser abgeschnitten, als viele Beobachter erwartet hatten - und hält an der Jahresprognose fest. Das kommt an der Börse gut an.

Von Christoph Giesen, München

Was war in den vergangenen Wochen nicht alles spekuliert worden: Wird Siemens seine selbstgesteckten Ziele erfüllen? Muss gar eine Gewinnwarnung ausgegeben werden? In den ersten beiden Quartalen hatte das Zahlenwerk des Münchner Konzerns eher dürftig ausgesehen. Nun also legte Siemens-Chef Joe Kaeser die Zahlen für das dritte Quartal vor - und überraschte. Zwischen April und Juni stieg der Umsatz des Konzerns im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um acht Prozent auf 18,8 Milliarden Euro, der Auftragseingang erhöhte sich um vier Prozent auf 19,9 Milliarden Euro. Bereinigt um Währungseffekte ergab sich dagegen ein Minus von drei Prozent beim Umsatz und fünf Prozent beim Bestelleingang. Unter dem Strich sank der Gewinn wegen der Umbaukosten und der Probleme im Stromerzeugungsgeschäft um zwei Prozent auf knapp 1,4 Milliarden Euro. Dennoch war Siemens mit diesen Zahlen der große Gewinner am Donnerstag an der Börse, zeitweilig legten die Papiere in Frankfurt um mehr als vier Prozent zu. Der Grund: Der Siemens-Chef hatte eine positive Nachricht für seine Aktionäre. Der Ausblick für das laufende Geschäftsjahr, das bei Siemens traditionell am 30. September endet, bleibt bestehen. Der Gewinn je Aktie soll demnach um mindestens 15 Prozent steigen. Im industriellen Geschäft geht Siemens weiterhin von einer Ergebnismarge von zehn bis elf Prozent aus, wie prognostiziert.

Bei den Anlegern kamen die Ergebnisse gut an

Das ist ehrgeizig: Rechnet man die vergangenen drei Quartale zusammen, liegt der Konzern derzeit bei einer Marge von 9,6 Prozent. Um die Prognose zu halten, muss im vierten Quartal also noch einiges verbessert werden. Für das kommende Geschäftsjahr, heißt es aus Unternehmenskreisen, wolle Siemens keine Margen-Ziele mehr ausgeben und sich künftig einzig am Gewinn pro Aktie von Analysten und Anlegern messen lassen. In diesem Jahr gilt die Vorgabe aber noch: "Wir erwarten, dass wir unser Momentum mit einem starken Schlussquartal des Geschäftsjahres beibehalten werden", sagte Kaeser.

Seit genau zwei Jahren steht er nun an der Siemens-Spitze. Und in dieser Zeit hat er für viel Wirbel im Konzern gesorgt. Er verkaufte unter anderem die Haushaltsgerätesparte an Bosch und verpasste dem Unternehmen eine neue Struktur: So wurde die Einteilung des Geschäfts in Sektoren aufgehoben und die Zahl der Divisionen reduziert. Der Umbau kostet Tausende Jobs. Zusammen mit geplanten Stellenstreichungen in der Stromerzeugungssparte (Power and Gas), über die noch mit Arbeitnehmervertretern verhandelt wird, plant Siemens den Abbau von mehr als 13 000 Jobs.

Auch diese Kosten lasten derzeit auf der Bilanz.

Nicht unbedeutend waren in diesem Quartal Währungseffekte. Der anhaltend schwache Euro sorgte dafür, dass in Europa gefertigte Anlagen im Dollar-Raum preiswerter sind. In den ersten beiden Quartalen hatte der Konzern davon noch nicht sonderlich profitieren können, da Siemens sich über Finanzgeschäfte an der Börse einen Wechselkurs von 1,35 Dollar je Euro hatte garantieren lassen. Da nun diese Bindung ausgelaufen ist, zieht der Konzern seinen Vorteil daraus.

Sorgen bereitet Siemens indes wie vielen westlichen Unternehmen derzeit der chinesische Markt. Die Stahl- und die Zementindustrie haben in der Volksrepublik massive Überkapazitäten angehäuft. Siemens hofft nun auf das im Frühjahr angekündigte neue Infrastrukturprogramm der chinesischen Regierung. Knapp 120 Milliarden Euro sollen in den weiteren Ausbau des Hochgeschwindigkeitszug-Netzes, neue U-Bahnen und Straßen fließen. Schwierigkeiten scheint es derzeit auch beim Geschäft mit kleinen Turbinen zu geben, diese Sparte hatte Siemens erst im vergangenen Jahr von Rolls-Royce übernommen. Das Problem: Viele Ölkonzerne, die Rolls-Royce vorwiegend belieferte, haben nach dem Einbruch des Ölpreises ihre Investitionen aufgeschoben. Für Unruhe hatte am Vortag ein Bericht des Wall Street Journal gesorgt. Demnach sollen Siemens und der kanadische Hersteller Bombardier erste Gespräche über eine Zusammenlegung des Eisenbahngeschäfts geführt haben. Während Siemens zunächst eisern schwieg, wies Bombardier den Bericht am Mittwochnachmittag zurück. Am Donnerstag nun auf die Zukunft der Zugsparte angesprochen, antwortete Kaeser ausweichend. Zwar dementierte er Gespräche mit Bombardier, vermied jedoch auch ein klares Bekenntnis zur Bahnsparte.

Immerhin musste Kaeser nicht die Bombardier-Zahlen rechtfertigen. Der kanadische Wettbewerber präsentierte am Donnerstag ebenfalls Ergebnisse: Der Überschuss fiel um fast ein Fünftel. Der Quartalsumsatz ging um 5,5 Prozent auf 4,6 Milliarden Dollar zurück. In der Zugsparte erlöste Bombardier sogar zwölf Prozent weniger. Dagegen sind die Siemens-Probleme fast schon marginal.

© SZ vom 31.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: