Siemens:100 Meter Heimat

Siemens hat eine neue Adresse - und führt jetzt ganz offiziell den Gründer in der Anschrift. Für den Traditionskonzern endet damit eine Ära, zugleich bedeutet der "Umzug" einen beträchtlichen Aufwand für das weltweit aktive Unternehmen.

Von Caspar Busse

"Ohne Heimat sein, heißt leiden", sagte einst der russische Schriftsteller Fjodor Michailowitsch Dostojewski. So gesehen hat das Leiden bei Siemens nun ein Ende, ganz offiziell. Denn der Weltkonzern aus München hat eine neue Heimat: Werner-von-Siemens-Straße 1 lautet jetzt die offizielle Anschrift des Unternehmens. In der vergangenen Woche wurde der Eintrag im Handelsregister geändert, wie ein Sprecher mitteilte - endlich, denn es hat ziemlich lange gedauert.

Dass Firmenname und Anschrift gleich sind, ist ungewöhnlich für einen Dax-Konzern

Vor mehr als sechs Jahren wurde die Planung der neuen, gläsernen Hauptverwaltung in der Münchner Innenstadt begonnen, im vergangenen Sommer dann wurden die Gebäude feierlich eingeweiht. Ein paar Tage zuvor hatte der Stadtrat zugestimmt, das rund hundert Meter lange und unscheinbare Sträßchen vor dem neuen Haupteingang umzubenennen: Aus der Finken- wurde die Werner-von-Siemens-Straße, hundert Meter für den Gründer. Im April dann beantragte das Unternehmen die "Änderung der Geschäftsadresse", denn die muss ganz offiziell ins Handelsregister eingetragen werden. Am 9. Mai nun wurde dieser juristische Akt vollzogen.

Dass die Firmen-Adresse identisch mit dem Unternehmensnamen ist, das war bisher eigentlich Mittelständlern vorbehalten, die sich in trostlosen Industriegebieten ansiedelten und von der Gemeinde den passenden Straßennamen als Willkommensgeschenk erhielten. Unter Dax-Konzernen sind derlei Eitelkeiten dagegen eher unüblich: BMW etwa residiert am wenig glamourösen Petuelring, die Deutsche Bank ihn Frankfurt an der noch weniger ansehnlichen Taunusanlage, die Commerzbank am Kaiserplatz, Bayer in der Kaiser-Wilhelm-Allee, die Deutsche Telekom an der Friedrich-Ebert-Allee, die Deutsche Post in der Charles-de-Gaulle-Straße. Die beiden Versicherer Allianz und Munich Re teilen sich sogar eine Anschrift: Beide sitzen in der Münchner Königinstraße. Infineon dagegen mag es extravagant: Am Campeon. Aber immerhin, es gibt auch Ausnahmen. Der Fernsehkonzern Pro Sieben Sat 1 ist im Münchner Vorort in der Medienallee zu finden. Daimler gibt in Stuttgart die Mercedesstraße als Adresse an. Die neue 13-stöckige Zentrale von Thyssen-Krupp ist in der Thyssen-Krupp-Allee in Essen zu finden. Und SAP, das einzige deutsche Softwareunternehmen von Weltrang, residiert im Örtchen Walldorf an der Dietmar-Hopp-Allee. Der heute 77-Jährige hat die Firma einst mitgegründet.

Bei Siemens jedenfalls endet mit dem Adresswechsel auch eine Ära. Seit dem Umzug aus Berlin war der Konzern stets am Wittelsbacher Platz 2 zu finden, im klassizistischen Palais Ludwig Ferdinand von Leo von Klenze. Der Vorstandsvorsitzende schaute von der ersten Etage aus auf das Reiterstandbild von Kurfürst Maximilian I. Nun muss alles geändert werden: Visitenkarten, offizielles Briefpapier, Internetauftritt - und zwar weltweit, Siemens ist fast allen Ländern der Erde tätig. Der Aufwand ist beträchtlich.

Im Konzern glaubt man dennoch, dass es sich lohnt. Schon vergangenen November hat Konzernchef Joe Kaeser den 200. Geburtstag Werner von Siemens' groß feiern lassen, sogar Kanzlerin Angela Merkel kam. Der Forscher und Erfinder kam 1816 in Niedersachsen zur Welt kam und gründete 1847 in Berlin die Telegraphen Bau-Anstalt von Siemens & Halske, aus der schließlich der Siemens-Konzern entstand. Nicht nur Schulen, auch viele Straßen in Deutschland sind nach ihm benannt, jetzt eben auch in München. Aber immerhin, die Postleitzahl bleibt dieselbe: 80333.

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