Siemens:Erstaunlich schwacher Gigant

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Siemens setzt ganz auf die Megatrends. Doch im Kleinen hat das Unternehmen seine Probleme: Selbst im Verbund mit Nokia gelingt es nicht, die gemeinsame Tochtergesellschaft Siemens Nokia Networks aus der Misere zu ziehen. Offenbar fehlt es an Durchhaltevermögen und langfristigem unternehmerischen Denken.

Karl-Heinz Büschemann

Im Siemens-Konzern sind wieder einmal ein paar tausend Arbeitsplätze in Gefahr. Die Tochtergesellschaft Nokia Siemens Networks (NSN), die der Münchner Riese gemeinsam mit dem finnischen Konkurrenten Nokia betreibt, will weltweit 17.000 Beschäftigte loswerden. Experten schätzen, dass allein in Deutschland deswegen bis zu 3000 Menschen ihren Arbeitsplatz verlieren werden.

Die Siemens-Führung erklärt die Abspaltungen von Geschäften gerne mit vier großen Megatrends der Welt wie Urbanisierung, demographischer Wandel, Klimawandel und Globalisierung, auf die man sich konzentrieren wolle. Doch die Geschäfte eines Industrieunternehmens müssen oft mühsam in kleinen Nischen jedes einzelnen Landes gemacht werden. (Foto: dapd)

Das ist erschütternd, zumal sich NSN mit Netzen und Steuerungen für Mobil- sowie Festnetztelefonie, für Datentransfer und Internetverkehr in einem echten Zukunftsmarkt bewegt. Zwei Hightech-Firmen wie Siemens und Nokia schaffen es nicht, die gemeinsame Tochtergesellschaft aus der Misere zu ziehen. Die Lage von NSN wird sogar schlechter. Die Konkurrenz aus China sei zu hart, heißt es. In diesem Jahr wird NSN allein Siemens eine halbe Milliarde Euro kosten.

Der Siemens-Konzern, ein Aushängeschild der deutschen Wirtschaft, zeigt gelegentlich erstaunliche Schwächen. Vor fünf Jahren kapitulierten die Münchner im harten Mobilfunk-Geschäft und taten sich mit dem des Konkurrenten Nokia zusammen. Der damalige Konzern-Chef Klaus Kleinfeld behauptete, man strebe gemeinsam "eine Führungsposition" an. Davor war Siemens entnervt aus der Produktion von Handys ausgestiegen, und noch ein paar Jahre zuvor hatte sich der Münchner Konzern von seiner Halbleiter-Sparte getrennt, die er teuer aufgebaut hatte und nie in den Griff bekam. Der ging unter dem Namen Infineon später durch eine lange Krise.

Die Siemens-Führung erklärt die Abspaltungen von Geschäften gerne mit vier großen Megatrends der Welt wie Urbanisierung, demographischer Wandel, Klimawandel und Globalisierung, auf die man sich konzentrieren wolle. Das klingt gut. Doch globale Trends können nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Geschäfte eines Industrieunternehmens oft mühsam in kleinen Nischen jedes einzelnen Landes gemacht werden.

Dazu braucht man Durchhaltevermögen und langfristiges unternehmerisches Denken, mit dem der Konzern im Übrigen die führende Rolle erkämpfte, die er heute hat. Daran scheint es bei Siemens inzwischen zu fehlen. Anstatt Verlustgeschäfte zu sanieren und für die Zukunft fit zu machen, steigen die Münchner aus und überlassen die Chancen anderen.

Man könnte das Kapitel NSN einfach abhaken und nach vorne schauen. Aber schon steht das nächste Geschäft von Siemens zum Verkauf. Der Leuchtmittelhersteller Osram, der sehr erfolgreich ist und viel Geld verdient. Der passe nicht zu den großen Trends der Welt, sagt Konzernchef Peter Löscher, obwohl viele Siemens-Manager das ganz anders sehen. Lampen und Lichtsysteme gehören durchaus zur Welt von morgen. Ein Weltkonzern muss auf scharfe Konkurrenz bessere Antworten haben als den Verkauf. Denn auch der nützt nichts, wie jetzt im Falle NSN zu sehen ist. Die Sünden der Vergangenheit holen die Konzernspitzen immer wieder ein.

© SZ vom 24.11.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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