Schwellenländerfonds:Abgekühlt

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Taiyuan, ein Industriestandort in Nordchina. In einigen Schwellenländern ist die Stimmung getrübt. (Foto: Jon Woo/Reuters)

Schwellenländerfonds galten lange als ertragreiche Anlage. Doch die Aussichten sind durchwachsen. Wer jetzt noch investiert, braucht vor allem eines: starke Nerven.

Von Pauline Schinkels

Wer zuletzt in Schwellenländerfonds investiert hat, musste sich gut festhalten. Brasiliens Wirtschaft ist stark angeschlagen, die Ratingagentur Standard & Poor's setzte die Kreditwürdigkeit des Landes jüngst auf Ramschniveau herab. Russland steckt in einer tiefen Rezession, Indien ist weiterhin ein Land der Extreme, zumindest was Arbeitslosigkeit und Armut angeht. In China ist das Wachstum stark zurückgegangen, und in Südafrika war der Rand Ende August auf dem niedrigstem Stand seit 14 Jahren. Und das sind nur die sogenannten Brics-Staaten. Bleiben noch die anderen Schwellenländer in Asien und Südamerika, deren Bilanz zum Großteil ähnlich durchwachsen ist.

"Der Boom der Schwellenländer ist vorbei."

Vor einigen Jahren hörte sich das noch etwas anders an. Da sprachen die internationalen Fondsgesellschaften von einer Globalisierungseuphorie, die Schwellenländer, das sei eine Wachstumsstory, die man auf keinen Fall verpassen sollte. Mittlerweile ist der Tonfall nach der Wachstumsschwäche in China wesentlich nüchterner geworden: "Die Lage ist nicht gut", sagt Maria Laura Lanzeni, Leiterin des Schwellenländerteams von Deutsche Bank Research. "Der Boom der Schwellenländer ist vorbei."

Und über bessere Aussichten lässt sich nur spekulieren. Vorerst bleiben die Analysten pessimistisch. "Das Wachstum, das wir vor der globalen Finanzkrise gesehen haben, wird es in den nächsten Jahren nicht mehr geben", glaubt Lanzeni. Zwar wachsen die Schwellenländer auch weiterhin, aber auf einem deutlich niedrigeren Niveau: Statt 14 Prozent sind es in China beispielsweise nur noch sieben - das sind die schlechtesten Aussichten seit einem Vierteljahrhundert. Das bekommen die Anleger auch bei den Schwellenländerfonds zu spüren. "Die Renditen der Emerging Markets-Fonds sind zurückgegangen", sagt Barbara Claus, Fondsanalystin der Ratingagentur Morningstar. Seit Jahresanfang ist die Rendite um sechs Prozent gefallen. 2014 lag sie noch bei circa elf Prozent.

Die Gründe für das Schwächeln der Schwellenländer sind unterschiedlich - viele haben weiterhin wirtschaftliche und strukturelle Probleme. Die fallenden Rohstoffpreise üben einen enormen wirtschaftlichen Druck auf die noch immer stark vom Rohstoffexport abhängigen Länder aus. Ein weiterer Grund ist der verlangsamte Welthandel. "Man kann aber nicht alle Schwellenländer über einen Kamm scheren. Es gibt auch Gründe, die länderspezifisch sind", sagt Lanzeni. Ein Beispiel ist Russland. Aufgrund der politischen Konflikte rutscht das Land zunehmend in eine wirtschaftliche Isolation, der niedrige Ölpreis und die westlichen Sanktionen verschärfen die Situation. Allen voran steht aber China. Dass die Konjunktur dort schwächelt, merken auch andere asiatische Schwellenländer wie Thailand oder Malaysia, die stark von der chinesischen Nachfrage abhängen.

Und eine wichtige Entscheidung steht noch aus: Vorerst hat die US-Notenbank Federal Reserve die Zinswende verschoben. Auch aus Angst, mit einer möglichen Erhöhung viele Schwellenländer in die Krise zu stürzen. Aber im Oktober und Dezember folgen weitere Sitzungen, in denen die Fed die Zinsen zumindest leicht anheben könnte. Einigen Schwellenländern wie Brasilien, Kolumbien, Indonesien, Türkei und Südafrika könnte das Probleme bereiten, weil sie Dollar-Schulden haben, die bei einem steigenden Kurs die Länder deutlich teurer zu stehen bekommen.

Aufgrund der schwierigen Situation hat es viele Investoren bereits zurück in den Dollar-Raum getrieben. Erhöht die Fed die Zinsen, kann sich der Kapitalabfluss aus den Schwellenländern noch beschleunigen. Seit August 2014 sind laut der Ratingagentur Morningstar allein in Europa 13, 7 Milliarden Euro aus Schwellenländer-Aktienfonds abgezogen worden, was circa sieben Prozent des investierten Gesamtkapitals entspricht. Wer trotz Renditedämpfer investieren möchte, braucht also starke Nerven und einen langen Atem.

"Wer sich von kurzfristigen Kursturbulenzen schnell aus der Ruhe bringen lässt, für den sind insbesondere Schwellenländerfonds nichts", sagt Thomas Pfister, Finanzexperte der Verbraucherzentrale NRW. Zwar versprechen Schwellenländerfonds immer noch Wachstums- und Renditeaussichten: "Sie sind aber auch eine hochriskante Anlageform", warnt Pfister. Wer in die sogenannten Emerging Markets investiert, sollte zuerst die Rahmenbedingungen der einzelnen Länder gründlich analysieren. Dabei gilt besondere Vorsicht denn nicht immer sind Unternehmensdaten verlässlich, das Risiko von Insolvenzen ist hoch. Die politische Situation ist zudem oft instabil. Hinzu kommen Fremdwährungsrisiken, so sackten die Währungen der Schwellenländer gegenüber dem US-Dollar deutlich ab.

Die Emerging-Markets-Fonds empfiehlt Verbraucherschützer Pfister daher höchstens als Portfolio-Beimischung. "Man sollte auf keinen Fall versuchen, sein Vermögen auf Schwellenländerfonds aufzubauen", warnt er. Wichtig sei, das Geld über viele Anlageklassen hinweg zu streuen und genau hinzuschauen, in welche Länder und Branchen der Fonds investiert. Wer in Schwellenländer investiert, sollte zudem langfristig denken: Denn Investmentfonds sind oft eine Anlage für die nächsten fünf bis zehn Jahre. Wer also schnell über das investierte Geld verfügen möchte, sollte eher von Schwellenländerfonds absehen.

Um flott auf die derzeitigen Turbulenzen zu reagieren, empfehlen Analysten oft aktiv gemanagte Fonds. In diesem Fall hat, anders als bei passiven Fonds, ein Fondsmanager ständig die jeweilige Marktsituation im Blick und passt den Fonds entsprechend an. Was die Analysten nicht sagen: Aktive Fonds sind teuerer - die Verwaltungskosten für solche Fonds sind meistens hoch. "Börsengehandelte Indexfonds sind eine kostengünstige Alternative zu aktiv gemanagten Fonds", rät daher Verbraucherschützer Pfister. Allerdings sind auch unter denen einige risikofreudige Exoten dabei, einfacher ist es, sich beispielsweise nach den größten Fonds eines Landes oder der direkten Zusammenfassung mehrerer Schwellenländer zu orientieren, ein bekanntes Beispiel dafür ist der MSCI Emerging Markets Index.

Trotz allem: Die extrem negative Stimmung deuten einige Analysten auch als Kaufsignal. Die Kurse sind schließlich so niedrig, dass derzeit günstig eingekauft werden kann. Die Hoffnung bei dem Schnäppchen: Der Tiefpunkt ist bereits erreicht - in Zukunft geht es wieder aufwärts. Nur ob sich das bewahrheitet, weiß keiner.

© SZ vom 07.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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