Schuldenkrise in Griechenland:Wie das griechische Spiel ausgehen kann

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  • Eine Lösung im Schuldenstreit zwischen Griechenland und der Euro-Gruppe ist nicht in Sicht. Es gibt mehrere mögliche Szenarien.
  • Szenario 1: Das Hilfspaket wird verlängert, die Parteien haben einige Monate Zeit, eine neue Regelung zu verhandeln.
  • Szenario 2: Griechenland verlängert das Abkommen nicht, kann sich aber einige Monate noch selbst finanzieren und in dieser Zeit ein neues Programm aushandeln.
  • Szenario 3 - Grexit: Griechenlands Banken geht das Geld aus. Das Land muss den Schuldendienst einstellen. Es kann seine Angestellten nicht mehr bezahlen und muss ein Notgeld einführen.

Szenarien von Nikolaus Piper

Von ferne sehen die Verhandlungen zwischen Griechenland und seinen Kreditgebern wie Poker aus. Der Vergleich liegt nahe, schließlich ist der neue griechische Finanzminister Yanis Varoufakis ein Professor, der sich auf Spieltheorie spezialisiert hat. Das ist ein Zweig der Ökonomie, bei dem Konfliktsituationen untersucht werden, in denen sich alle Beteiligten komplett rational verhalten. Die Modelle der Theorie sind elegant und schön, das Problem ist nur, dass Menschen oft nicht rational sind und dass sich einiges in den Modellen nicht abbilden lässt. Zerschlagenes Porzellan in einer Situation zum Beispiel, in der einer der Spieler auf das Wohlwollen der anderen angewiesen ist.

Bei den Verhandlungen mit der Euro-Gruppe in Brüssel traten Varoufakis und seine Leute so auf, dass selbst jene resignieren, die glauben, dass Ministerpräsident Alexis Tsipras mit seiner Kritik an der verordneten Sparpolitik "zu 50 Prozent" recht hat. Ein Beispiel ist Alexander Kritikos vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin. "Die Regierung hat so viele Töpfe verschlossen, dass jetzt nur noch eine Schwarz-Weiß-Entscheidung für oder gegen das Hilfspaket geblieben ist", sagt er. Über die Frage, wie es weitergeht, lässt sich da nur noch spekulieren.

Die glückliche Lösung: Griechenland und die Euro-Gruppe verlängern das Hilfspaket um mehrere Monate. Athen bleibt zahlungsfähig, und beide Seiten hätten Zeit, ein reformiertes Programm auszuarbeiten. Der Vorsitzende der Euro-Gruppe, Jeroen Dijsselbloem, hatte für diesen Fall schon den "festen Willen" bekräftigt, "mehr Flexibilität zu nutzen". Möglicherweise bietet die Europäische Zentralbank eine Erhöhung der Notfallkredite aus dem Programm Emergency Liquidity Assistance (ELA) an, wenn die Griechen weiter ihre Auflagen akzeptieren.

Kompromiss mit Verzögerung: Minister Varoufakis könnte darauf bauen, dass seine Regierung auch dann noch Zeit hat, selbst wenn das Geld der EU ausbleibt. Im Athener Staatshaushalt, so die Hoffnung, gibt es einen "Primärüberschuss", also einen Überschuss unter Herausrechnung von Zins und Tilgung. Während der Überschuss verzehrt wird, könnte man weiterverhandeln.

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Die Frage ist, ob es diesen Überschuss tatsächlich noch gibt. In den vergangenen beiden Monaten ist die Steuermoral der Griechen dramatisch gesunken. Die Steuerzahler haben vermutlich die von Tsipras versprochene Abschaffung der Immobiliensteuer bereits vorweggenommen. Außerdem wäre auch dieses Modell bereits ein Staatsbankrott, daher würde die Kapitalflucht weitergehen. "Man muss die Reaktion der Bankkunden in Rechnung stellen. Die bringen ihr Geld in Sicherheit", sagt Kritikos. Wie viel von den griechischen Banken zuletzt abgezogen wurde, ist unbekannt, die Summe dürfte aber beträchtlich sein. Vermutlich würden die Banken so schnell pleitegehen, dass dieses Modell des Auf-Zeit-Spielens obsolet ist.

Grexit: Der kommt, wenn alle Kompromisse scheitern. Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank, setzte am Montag nach dem Scheitern der Verhandlungen die Wahrscheinlichkeit des Austritts Griechenlands aus dem Euro von 25 auf 50 Prozent herauf. Praktisch könnte dieser Ausstieg so aussehen: Weil die Regierung keine Auflagen mehr akzeptiert, verweigert die EZB Ende des Monats den griechischen Banken den Zugang zu Mitteln aus ELA. Der Notenbank bliebe auch gar nichts anderes übrig, wollte sie nicht ihre gesamte Glaubwürdigkeit aufs Spiel setzen.

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Ohne den Euro müsste die griechische Regierung ein eigenes Notgeld ausgeben

In diesem Fall würden den griechischen Banken aber innerhalb kurzer Zeit die Euros ausgehen. Sie wären zahlungsunfähig und müssten verstaatlicht werden. Dem Land drohte der Zusammenbruch des Geldwesens, die Regierung könnte noch nicht einmal ihre eigenen Angestellten bezahlen. Um das zu verhindern, müsste Athen eigenes Notgeld drucken, das dann "Drachme" oder auch anders heißen könnte. Im Land herrschte Chaos, da die neue Währung ja nicht so schnell verbreitet werden kann. Einige Griechen könnten die Dinge relativ gelassen beobachten. Wer etwa sein Berufsleben in Deutschland verbracht hat und jetzt eine deutsche Rente bezieht, die auf ein deutsches Konto überwiesen wird, hat keine Probleme. Es wird in Griechenland auch weiter Geldautomaten geben, aus denen man Euro ziehen kann.

Der kritische Punkt sind die Schulden. Die griechische Regierung wird dem Ausland gegenüber den Bankrott erklären und den Schuldendienst einstellen. Es gibt aber auch private Unternehmen, die sich in Euro jenseits der Grenzen verschuldet haben. Wenn eine Firma plötzlich nur noch weiches griechisches Geld einnimmt, aber in Euro verschuldet ist, wird der Schuldendienst untragbar. Wenn jemand aber Zins und Tilgung nicht mehr zahlen kann, verlangen die Lieferanten Vorauskasse, wozu die betreffende Firma ebenfalls nicht in der Lage sein dürfte. "Auf diese Weise werden ganze Lieferketten unterbrochen", sagt Volkswirt Krämer.

Unklar sind die Folgen für den Rest der Euro-Zone. Löst Grexit einen Flächenbrand aus, der die Gemeinschaftswährung zerstört? Diese Angst hat die Schuldenkrise immer begleitet. Er glaube aber nicht daran, sagt Krämer und nennt dafür zwei Gründe: Erstens haben Europas private Banken den größten Teil ihres Griechenland-Engagements bereits verloren. Unter erheblichem Druck der EU hatten sie 2012 den Griechen einen Schuldennachlass von 107 Milliarden Dollar gewährt. Wenn jetzt der Rest auch noch verloren ginge, wäre das für das Finanzsystem zu verkraften. Und zweitens werde der Austritt Griechenlands keine Panik unter den Bankkunden der anderen Krisenländer Portugal, Spanien und Italien auslösen: "Alle wissen, dass Griechenland ein Sonderfall ist", meint Krämer. Die Länder stehen unter dem Euro-Rettungsschirm und können notfalls mit massiven Hilfen rechnen.

Die Finanzmärkte scheinen die Entwicklung jedenfalls gelassen zu nehmen. Der Kurs des Euro hat sich in den vergangenen Tagen, trotz aller Turbulenzen, bei 1,14 Dollar stabilisiert.

© SZ vom 18.02.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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