Schmiergeldskandal bei Siemens:Mister Perfect vor Gericht

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Er will ein Kämpfer gegen Korruption gewesen sein: Thomas Ganswindt, Ex-Siemens-Vorstand, hält im Gerichtssaal eine Ode an die Unschuld. Die 40-seitige Anklageschrift deutet etwas anderes an.

Caspar Busse

Zur Verlesung der Anklageschrift darf Staatsanwalt Florian Bronnen ausnahmsweise sitzen bleiben, ein Glas Wasser vor sich. Es wird länger dauern, das ist nicht nur der Vorsitzenden Richterin Jutta Zeilinger klar. Thomas Ganswindt, 50, werden von diesem Dienstag an vor der Wirtschaftsstrafkammer des Münchner Landgerichts komplizierte Sachverhalte zur Last gelegt.

Thomas Ganswindt beim Prozessauftakt im Gerichtssaal. Der Ex-Siemens-Vorstand erklärte in einer langen Rede, er habe sich wegen des Schmiergeldskandals nichts vorzuwerfen. (Foto: dapd)

Quälende 80 Minuten dauert es, bis alle Punkte der 40-Seiten-Anklage vorgetragen sind - minutiös werden die Usancen einer jahrelangen Bestechung geschildert, Zahlungen und Treffen aufgelistet, zweifelhafte Beraterverträge in Russland, Kasachstan, Nigeria, Griechenland, Ägypten.

Ganswindt ist der bisher ranghöchste Siemens-Manager, der sich in der milliardenschweren Bestechungsaffäre vor Gericht verantworten muss. Anders als fast alle seiner ehemaligen Vorstandskollegen, darunter Ex-Chef Heinrich von Pierer, hat er sich nicht schon im Voraus mit der Staatsanwaltschaft und seinem früheren Arbeitgeber geeinigt.

Ganswindt, von dem Siemens fünf Millionen Euro Schadenersatz fordert, will den Fall bis zum bitteren Ende durchfechten. Der studierte Elektroingenieur aus Oberhausen hat sich nichts vorzuwerfen - er sieht sich offenbar als letzten Aufrechten. "Ich habe sehr deutlich gemacht, dass ich Korruption weder gutheiße noch billige", betont er in Saal B 175. Er übernehme Verantwortung, sei aber unschuldig.

Die Staatsanwälte werfen ihm vor, von schwarzen Kassen und zweifelhaften Zahlungen gewusst zu haben. Er soll nicht ausreichend dagegen vorgegangen sein, seine Aufsichtspflicht verletzt und am Ende auch Steuerdelikte begangen haben. Der Vorwurf der Bestechung wird zunächst ausgeklammert.

Großer Auftritt

Kurz vor halb zehn erscheint Ganswindt mit seinen drei Anwälten im Münchner Justizzentrum. Dunkler Anzug, rot-weiße Krawatte, schwarze Brille. Der Mann ist blass, offenbar etwas nervös, lässt sich aber ohne Regung fotografieren und filmen. Der Dreitagebart, den er noch im Januar bei seinem letzten Auftritt getragen hat, ist verschwunden. Er klappt ein Apple-Notebook auf und verfolgt fast ohne Regung die Ausführungen des Staatsanwaltes. Er weiß: Jetzt kommt gleich sein großer Auftritt.

Nach einer kurzen Verhandlungspause erteilt Richterin Zeilinger dem Angeklagten das Wort. Und Ganswindt setzt zu einer 90-minütigen Rechtfertigungsarie an. Auch wenn es kein Geheimnis war, dass es Korruption bei Siemens gegeben habe, er habe alles richtig gemacht - und sogar die Ablösung verdächtiger Mitarbeiter veranlasst. "Ich hätte persönlich stärker gegen alle Widerstände nachfassen müssen", räumt Ganswindt zwar ein, vorzuwerfen habe er sich aber nichts. Er habe immer seinen Mitarbeitern und Wirtschaftsprüfern vertraut.

Am Ende beklagt er, dass immer die Telekomsparte, die er geführt hatte, eine Rolle spiele. "Der Gesamtkontext des Unternehmens" sei bisher nie beleuchtet worden - er hoffe, das ändere sich. Das klingt wie eine Drohung.

Thomas Ganswindt kündigt weitere Aussagen an. Es ist die Rede eines bitter Enttäuschten, der 1989 bei Siemens angeheuert hatte, rasend schnell aufstieg - und der nach eigenen Angaben keinen Job mehr findet. Am 11. Dezember 2006 wurde der Manager festgenommen und verbrachte zehn Tage in Untersuchungshaft. Einiges hat sich seitdem aufgestaut.

Man hat den Eindruck, Ganswindt ist froh, wieder eine Bühne zu haben. Erhellendes hat er freilich nicht zu bieten. Langatmig schildert der Angeklagte seinen Werdegang, seine Leistungen, die komplizierten Strukturen bei Siemens. Peinlich genau ist er darauf bedacht, sich selbst als äußerst erfolgreichen Sanierer darzustellen, der mit vielen Widrigkeiten gekämpft hat und dem Unrecht getan wurde - ein Mister Perfect, der am Ende vom Hof gejagt wurde.

Ex-Chef Pierer hatte ihn ja immer gefördert, und einige Zeit lang galt sein Protegé, der den Ruf eines gefühllosen Sanierers hatte, sogar als Kandidat für die Konzernspitze. Doch dann machte Klaus Kleinfeld das Rennen. Die Verbitterung darüber blieb. Ganswindt kritisiert vor Gericht strategische Fehlgriffe Kleinfelds, etwa den Verkauf der Telekom-Geschäfte.

Mehrere Mitarbeiter aus Ganswindts Sparte ICN sind nach Geständnissen wegen Veruntreuung von Konzerngeldern bereits zu Geld- und Bewährungsstrafen verurteilt worden. Am Nachmittag hält das Gericht dem Ex-Vorstand konkrete Aussagen aus den Akten vor. Ganswindt sagte angeblich, er habe die Wahl zwischen Pest und Cholera - entweder die Augen schließen oder Korruption aufdecken und damit Jobs und Aufträge riskieren. Die Vernehmungen seien damals "unter hohem psychischen Druck" geführt worden, merkt Ganswindt an. Das seien nicht seine Worte gewesen.

Der Beginn des Mammutverfahrens war mehrmals verschoben worden - erst gab es Terminprobleme, dann monierten Ganswindts Juristen die Besetzung des Gerichts. Nun sind bis September 22 Sitzungstermine angesetzt. Ob das reicht?

© SZ vom 06.04.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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