Schlechte Gehälter bei US-Fluggesellschaften:Prekariat im Cockpit

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Jährlich nur 22 400 Dollar im Schnitt: Piloten kleinerer US-Fluggesellschaften verdienen oft schlecht (Foto: dpa)

Amerikanische Airlines leiden unter Piloten-Mangel. Das liegt vor allem an miesen Gehältern. Die Folgen: Flüge müssen gestrichen werden, der Engpass könnte die gesamte Industrie destabilisieren. Nun hat sich die US-Regierung eingeschaltet.

Von Kathrin Werner, New York

Uniformen können manchmal täuschen. Wer sie so sieht mit ihren dunkelblauen Anzügen, den Schulterklappen und glänzenden Knöpfen, vermutet satte Gehälter. Doch Piloten in Amerika verdienen oft miserabel, zumindest am Anfang ihrer Karriere: Bei den kleineren Fluggesellschaften kommen sie der Gewerkschaft Air Line Pilots Association zufolge im ersten Jahr auf nur 22 400 Dollar im Schnitt, manche verdienen sogar nur 15 000 Dollar. Das ist gerade mal so viel wie der gesetzliche Mindestlohn und nicht genug, um die Ausbildungskosten, mehr als 100 000 Dollar, abzubezahlen.

Die schlechten Gehälter, zusammen mit anderen Faktoren, zeigen jetzt Konsequenzen: Amerikanische Fluggesellschaften leiden unter einem Engpass an Piloten, der sich in den nächsten Jahren noch dramatisch verschärfen wird. Sogar die US-Regierung hat sich wegen der Bedeutung des Flugverkehrs für die Wirtschaft bereits eingeschaltet und eine Studie erstellt. Nach dieser hatten schon im vergangenen Jahr elf von zwölf Regional-Fluggesellschaften größere Schwierigkeiten, ihre offenen Stellen zu besetzen.

Republic Airways, eine der größeren Regional-Airlines, hat bereits verkündet, wegen Pilotenmangels 27 von 243 Flugzeugen außer Dienst zu stellen. United Airlines streicht den Großteil der Flüge nach Cleveland im Bundesstaat Ohio, unter anderem weil Piloten fehlen.

Zuerst trifft der Engpass kleinere, auf den inneramerikanischen Verkehr ausgerichtete Fluggesellschaften. Weil diese Airlines weniger Geld bieten, kleinere Flugzeuge fliegen und nur Kurzstrecken, sind sie für die Piloten nicht so interessant. Weniger bedeutende Städte könnten künftig nicht mehr angeflogen werden, wenn die Industrie keine Lösung findet, warnt der Verband der Regional-Fluggesellschaften.

Die großen Airlines geben Inlandsflüge an sie ab, Tickets werden über die großen Anbieter wie Delta oder United verkauft, die Flugzeuge und die Crew stellen allerdings die kleinen Unternehmen. Inzwischen übernehmen die rund 70 Regional-Anbieter gut die Hälfte aller Flüge in Amerika - oft mit sehr geringen Gewinnen.

Schäden in Milliardenhöhe

Einer Studie von Flightpath Economics zufolge droht der Engpass an Piloten die gesamte Industrie zu destabilisieren und Milliardenschäden zu verursachen. Die Fluggesellschaften trifft das zur Unzeit. Ihre Margen sind klein. Etliche Airlines haben über Insolvenzverfahren heftige Kostensparprogramme durchgesetzt. Um Piloten aus dem Ausland anzuwerben oder ihre eigene Belegschaft zu halten, fehlt vielen das Geld. In den nächsten 20 Jahren müssten pro Jahr zwischen 2000 und 4500 neue Piloten eingestellt werden, schätzt die US-Regierung.

Der Flugzeughersteller Boeing prophezeit, dass in dem Zeitraum weltweit 498 000 neue Piloten benötigt werden, davon allein 85 700 in Nordamerika. "Die Weltwirtschaft wächst, und Airlines bekommen Zehntausende neue Flugzeuge in den nächsten 20 Jahren. Die Nachfrage nach Leuten, die diese Flugzeuge fliegen, wird beispiellos", so die Studie.

Schuld ist auch eine Kombination aus neuen Anforderungen der US-Regierung an die Kapitäne, einer Verrentungswelle und der Abwanderung von Piloten ins Ausland. Das Parlament hat nach einem Flugzeugabsturz im Jahr 2009 die Sicherheitsregeln verschärft; die neuen Regeln sind gerade in Kraft getreten. Um als Erster Offizier zugelassen zu werden, müssen Anwärter nun 1500 Stunden Flugerfahrung nachweisen, sechsmal so viel wie zuvor. Außerdem müssen Piloten künftig pro Tag längere Ruhepausen einlegen. Man braucht also für die gleiche Anzahl an Flügen mehr Kapitäne. Außerdem sind viele der Piloten alt.

Während 2012 gerade mal 592 in Rente gingen, waren es schon 1367 im vergangenen Jahr. Nach Schätzungen des Branchenberaters Kit Darby dürften es in diesem Jahr 1519 werden. Allein bei den größten vier Fluggesellschaften erreichen 18 000 Piloten bis 2022 das Rentenalter - gleichzeitig fehlt der Nachwuchs wegen der schlechten Gehälter. Die Flugsicherheitsbehörde FAA hat im Jahr 2012 nur noch knapp 55 000 neue Piloten-Studentenzertifikate verteilt, das waren 31 Prozent weniger als vor 20 Jahren.

Auch die immense Nachfrage nach Piloten in Asien trifft die amerikanischen Fluggesellschaften hart. Boeing erwartet, dass dort in den kommenden 20 Jahren beinahe 200 000 Kapitäne eingestellt werden müssten. Die rasant wachsenden Rivalen vor allem in China und im Nahen Osten rekrutieren mehr und mehr Piloten aus den USA. Sie bieten bessere Gehälter, lukrative Einstiegsboni und bessere Karrierechancen.

Laut dem Branchenblatt Plane & Pilot dauert es bei den Schwellenland-Airlines nur halb so lange wie in den USA, vom Ersten Offizier zum Kapitän aufzusteigen - und das bei doppeltem Gehalt. Und für Menschen, die ohnehin um den Globus jetten, ist der Sitz ihres Arbeitgebers nicht entscheidend.

© SZ vom 04.03.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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