Scheinfirmen betrügen deutsche Mittelständler:Reinfall in China

Immer mehr Scheinfirmen zocken mittelständische deutsche Unternehmer ab. Sie winken mit der Vergabe von lukrativen Aufträgen, lassen die Geschäftsleute einfliegen und kassieren dann schamlos ab. Firmenchef Thomas Reißmann etwa sollte seinem Geschäftspartner eine 5400 Euro teure Goldplatte schenken. Korrupte Beamte in den Provinzverwaltungen decken die Betrüger.

Christoph Giesen

Zhengzhou ist eine dreckige Industriestadt am Ufer des Gelben Flusses. Chinas Kohlereviere sind nicht weit entfernt. Ein paar Eisenbahnlinien kreuzen sich zwar hier, westliche Touristen kommen aber so gut wie nie in die Stadt. Vor ein paar Wochen ist Thomas Reißmann trotzdem nach Zhengzhou geflogen. Das Angebot klang zu verlockend.

Reißmann leitet die kleine Münchner Videoproduktionsfirma Travelsensations. Der Umsatz ist übersichtlich, er hat noch einen anderen Job, um über die Runden zu kommen. Im Frühjahr bekommt Travelsensations eine E-Mail aus China. Absender ist die Firma Henan Wanhua Investment Co. Ltd mit Sitz in Zhengzhou. In der E-Mail-Anfrage heißt es auf Englisch, dass man Interesse an einer Videoproduktion habe. 20 Episoden mit einer Länge von 25 Minuten soll Travelsensations über Deutschland drehen. Pro Sendeminute 2300 Dollar. Insgesamt 1,15 Millionen Dollar. 70 Prozent versprechen die Chinesen als Anzahlung zu leisten. Reißmann müsse nur nach Zhengzhou kommen, um die letzten Details zu besprechen und den Vertrag zu unterschreiben. Wenhua Investment schickt ein rot gestempeltes Einladungsschreiben.

Thomas Reißmann bucht einen Flug in die chinesische Provinz, wie so viele deutsche Mittelständler vor ihm. Von München via Peking nach Zhengzhou. Schon einen Tag nach seiner Ankunft werden die Verträge unterzeichnet. Dann kippt die Stimmung, Reißmann soll ein teures Geschenk für den Geschäftsführer kaufen, in China sei das so üblich, sagt man ihm. Er lehnt ab. Beim anschließenden Geschäftsessen teilen ihm die chinesischen Geschäftsleute mit, er müsse auch die Kosten für den Notar übernehmen: 4800 Dollar. Reißmann reist ab, ohne zu zahlen. Viele Mittelständler haben gezahlt.

Zurück in Deutschland findet Reißmann heraus, dass Henan Wanhua Investment lediglich eine Tarnfirma ist, die arglose Geschäftsleute nach China lädt und ihnen Interesse vorgaukelt. Die Masche aus Zhengzhou ist kein Einzelfall, im Internet finden sich inzwischen lange Listen chinesischer Scheinfirmen. Wird eines der Unternehmen als Betrüger enttarnt, werden neue Firmen unter neuen unscheinbaren Namen angemeldet. Korrupte Beamte in den Provinzverwaltungen decken die Betrüger.

Viele Unternehmer haben Tausende Euro verloren

Die deutsche Außenhandelskammer in Shanghai warnt seit Jahren vor den Tricks. Seit Ende Juni schlägt auch die österreichische Wirtschaftskammer in Peking Alarm. Vorsicht sei geboten, wenn ein chinesisches Unternehmen völlig überraschend eine Anfrage mit einem sehr hohen Auftragsvolumen stellt, schreiben die deutschen Außenhändler in einer Warnung. Oft erfolge der Erstkontakt über eine E-Mail-Adresse eines kostenfreien Anbieters: 163.com oder sohu.com. Als Telefonkontakt wird lediglich eine chinesische Handynummer angegeben. Und immer bestehe die chinesische Firma auf eine möglichst rasche Vertragsunterzeichnung in China. Nicht nur mit Geschenken für den eigenen Chef oder Notariatsgebühren versuchen die chinesischen Gauner die ausländische Unternehmer zu betrügen. Oft sollen auch Geldgeschenke für einen misslaunigen Beamten in der Verwaltung bezahlt werden, oder es müssen noch irgendwelche Kommissionsgebühren, die überraschend angefallen sind, beglichen werden.

Thomas Reißmann ist glimpflich davongekommen, außer den Reisekosten sind ihm keine Schäden entstanden. Viele kleine Unternehmer haben aber Tausende Euro verloren, und sie schweigen aus Gram. Thomas Reißmann grämt sich nicht. Zurück in Deutschland hat er sich vor die Kamera gesetzt, er ist schließlich vom Fach. In knapp acht Minuten erzählt er in einem YouTube-Video von seinen Fall. Man sieht Fotos, wie er mit dem Geschäftsführer an einem klobigen Schreibtisch die Verträge unterzeichnet und wie täuschend echt die Anfragen aussehen. "Der Grund für dieses Video ist, dass wir vielen Leuten die Zeit und das Geld ersparen möchten, damit sie nicht auf dieselbe Masche reinfallen."

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