Samsung:Schlafen muss man noch selbst

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Alles vernetzt - hier eine Überwachungskamera von Samsung am Stand des Unternehmens auf der IFA in Berlin. (Foto: Bloomberg)

Da viele Haushalte schon ausreichend versorgt sind, wollen Technologiekonzerne die Geräte vernetzen. Auch Samsung will die Deutschen damit beglücken. Aber wollen die das überhaupt?

Von Varinia Bernau und Helmut Martin-Jung, Berlin

Das kleine dreieckig geformte Gerät unter der Matratze weiß, wann es so weit ist: Sein Besitzer ist gerade nicht in einer Tiefschlafphase, also weckt es ihn sanft. Das Licht geht an, die Rollläden fahren hoch, und in der Küche verbreitet die Kaffeemaschine den Duft frisch gebrühter Bohnen. Auf dem Fernseher werden Nachrichten eingeblendet, außerdem aktuelle Staumeldungen.

All das erledigt Samsung.

Automatisch.

Der südkoreanische Konzern gibt sich nicht mehr damit zufrieden, Fernseher, Kühlschränke oder sonstige Gerätschaften zu verkaufen. Wie die amerikanischen Technologiekonzerne Apple und Google macht sich nun auch Samsung daran, all diese Dinge miteinander zu vernetzen. "Es geht nicht um technische Spielereien, sondern darum, den Alltag von Verbrauchern zu erleichtern", sagt Boo-Keun Yoon. Der studierte Elektroingenieur, 62, ist einer der drei ranghöchsten Manager des Konzerns - zuständig für fast alles außer Smartphones: Fernseher, Kühlschränke, Waschmaschinen, Klimaanlagen, medizinische Geräte. Er hat das Ziel ausgegeben, bis 2020 all diese Produkte ans Netz zu bringen. 100 Milliarden Dollar vergibt sein Konzern an Entwickler, die Apps und damit Visionen für dieses Internet der Dinge entwerfen. Nun sitzt Yoon, umringt von einer imposanten Entourage, in einem kühlen Besprechungsraum - und erklärt, wie er die Deutschen dafür begeistern will.

Natürlich will Samsung so nicht nur das Leben der Menschen erleichtern. Sondern auch in einer Welt, die im Grunde alles hat zu ihrem Glück, weiter ordentlich Geld verdienen. Deshalb wird der Konzern noch 2015 ein Einsteigerpaket namens Smart Things auf den deutschen Markt bringen - bestehend aus einer App, verschiedenen Sensoren und einer kleinen Steuerungseinheit für den vernetzten Haushalt.

Im Gegensatz zu ähnlichen Paketen anderer Anbieter - etwa Apples Homekit, das es seit Juni für einige Geräte auch in Deutschland gibt, und Googles Nest, das zwar in einigen europäischen Ländern, aber noch nicht in Deutschland angeboten wird - ist Smart Things eine ausdrückliche Einladung an andere Gerätehersteller und Entwickler neuer Anwendungsszenarien. "Wir brauchen Offenheit. Unser System muss offen für die Geräte anderer Hersteller sein - und deren System für unsere Geräte. Sonst wird sich das Internet der Dinge nicht durchsetzen", sagt Yoon.

So lässt sich die Smart-Things-App auf allen gängigen Smartphones installieren, um den Überblick im vernetzten Haus zu behalten. Und die dazugehörige Box steuert das dreieckige Ding, mit dem Samsung unter der Matratze den Schlaf beobachten lässt, ebenso wie etwa Musikanlagen des amerikanischen Anbieters Bose. Ein offenes System also, aber innerhalb des Samsung-Universums gibt es weniger Störungen, gesteht Yoon ein. Das ist praktisch für den Konzern, weniger für die Kunden. Manche smarte Haushaltshilfe wirkt ohnehin, als löse sie Probleme, die man zuvor gar nicht hatte: AEG beispielsweise stellte auf der Internationalen Funkausstellung (Ifa) einen Dampfgarer mit Kamera vor, der Bilder live aus dem Backofen auf Smartphone oder Tablet sendet, damit man nicht in der Küche bleiben muss.

Ein neues Smartphone kaufen sich die Menschen fast jedes Jahr - und zwar auch deswegen, weil diese Geräte immer mehr möglich machen. Einen neuen Fernseher aber, so rechnet Yoon vor, kaufen sie sich nur alle sechs, einen neuen Kühlschrank sogar nur alle zehn Jahre. Dass ihm das zu selten ist, muss der Manager nicht dazusagen. Werden wir uns also darauf einstellen müssen, nun auch den Kühlschrank alljährlich auszutauschen? Yoon lächelt. "Dass wir Kühlschränke in immer kürzeren Abständen mit neuen Möglichkeiten ausstatten, bedeutet nicht, dass sich der Kunde künftig immer wieder ein neues Gerät kaufen muss. Auch ein Kühlschrank lässt sich in Zukunft per Software updaten." Zu Jahresbeginn sorgte ein Kühlschrank für Schlagzeilen, der Spam verschickte. Auch das gehört zum Internet der Dinge: Wenn alles vernetzt ist, haben auch Hacker auf alles Zugriff. Sei es, um die Geräte zu manipulieren. Sei es, um sensible Daten abzugreifen.

Denn der Tag im Internet der Dinge, wie ihn sich nicht nur Samsung, sondern viele Technologiekonzerne erträumen, endet natürlich nicht mit Kaffee und Staumeldungen. Er geht weiter: Kameras überwachen das traute Heim. Kehrt der Besitzer zurück, erwartet ihn seine Lieblingsmusik. Die Heizung ist auf den optimalen Wert hochgefahren. Die Waschmaschine hat bereits selbständig Waschpulver bestellt - weil der Vorrat knapp wurde. Kein anderes Unternehmen, so selbstbewusst gab sich Samsung bei der Präsentation auf der Ifa, sei besser dazu geeignet, die verschiedenen Geräte und die verschiedenen Lebensbereiche zu verknüpfen.

In den nächsten zehn Jahren könnte das Internet der Dinge ein Milliardengeschäft werden

Doch die vielen Helferlein sammeln äußerst sensible Informationen. Das wirft Fragen auf, die die Hersteller nur ungern beantworten: Wo werden diese Daten gespeichert - und wer kann darauf zugreifen? "Von der Frage, ob wir diese vernetzte Welt sichermachen, hängt alles ab", betont Yoon. Das Internet der Dinge könnte nach Schätzungen von Branchenbeobachtern innerhalb der nächsten zehn Jahre zu einem Geschäft werden, in dem dann weltweit zwischen 15 oder 30 Billionen Dollar im Jahr umgesetzt werden. Oder eben auch nicht, wenn der Kunde skeptisch bleibt. "Deshalb lassen wir dem Verbraucher die Wahl, welche Daten er preisgibt - und welche nicht. Wir geben ihm auch die absolute Kontrolle über seine Daten. Und wir müssen die Sicherheitsfunktionen so bequem wie möglich machen."

© SZ vom 05.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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