Samsung:Es brennt

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Weil immer wieder Akkus in Flammen aufgehen, muss Samsung mehr als zwei Millionen Smartphones des neuen Modells Note 7 umtauschen. Es ist nicht das einzige Problem des Konzerns.

Von Christoph Neidhart und Claus Hulverscheidt, Tokio/New York

Ein verletzter Sechsjähriger in New York. Ein brennender Geländewagen in Florida. Ein in Flammen stehendes Hotelzimmer in Australien. Eine Passagiermaschine, die wegen Rauchs an Bord umkehren muss, in Japan. Und immer dabei: das Galaxy Note 7, das neue Vorzeige-Smartphone aus dem Hause Samsung, mit dem der asiatische Handy-Riese eigentlich den US-Dauerkonkurrenten Apple das Fürchten lehren wollte. Nun sind es die Koreaner selbst, die ins Schleudern geraten.

Ein Fabrikationsfehler im Akku, heißt es kleinlaut am Samsung-Firmensitz in Suwon: Er könne dazu führen, dass sich Anode und Kathode, also Plus und Minus, berühren. Das führe in Einzelfällen zur Überhitzung - wobei der Begriff eine gehörige Untertreibung darstellt: Auf Fotos sehen die betroffenen Handys aus, als hätten sie minutenlang in einem Lagerfeuer gelegen. Der kleine Junge aus dem New Yorker Stadtteil Brooklyn, der nach Aussage seiner Großmutter auf dem Note 7 ein Video geschaut hatte, musste mit Verbrennungen an den Händen ins Krankenhaus. Auch Flugbegleiter, die rauchende Geräte sicherstellen wollten, sollen sich verletzt haben.

Die Unfälle werden nicht nur der Firmenkasse und dem Image von Samsung erheblich schaden, sie torpedieren vielmehr auch die jüngste, vermeintlich so geschickt ausgeklügelte Marketingstrategie. Der Konzern hatte den Verkaufsstart für sein neues Flaggschiff eigens vorgezogen, um dem Note 7 einen Vorteil gegenüber dem neuen iPhone 7 von Apple zu verschaffen, das vielerorts erst in einigen Wochen verfügbar sein wird. Die Strategie schien zunächst aufzugehen, denn das neue Samsung-Gerät erhielt ausgezeichnete Bewertungen und verkaufte sich bereits 2,5 Millionen Mal. Nun könnte sich die womöglich übereilte Offensive als teurer Fehlschlag erweisen. Das gilt insbesondere für den Fall, dass der Konzern die Probleme nicht rasch genug - sprich: vor Beginn des Weihnachtsgeschäfts - in den Griff bekommt.

Der Hersteller selbst rät dazu, die Geräte nicht mehr zu benutzen

Nachdem bereits mehrere Fluggesellschaften die Mitnahme des Geräts untersagt haben, warnt die amerikanische Flugaufsicht FAA mittlerweile offiziell davor, das Handy an Bord anzuschalten. Sie empfahl sogar, es nicht im Gepäck aufzugeben. Die US-Verbraucherschutzbehörde CPSC rief alle Note-7-Besitzer auf, ihre Telefone auszuschalten und nicht mehr aufzuladen. Auch Samsung selbst rät den eigenen Kunden, das Handy nicht mehr zu benutzen.

Der Konzern will kommende Woche mit dem Austausch der Geräte beginnen, von denen in Deutschland erst wenige ausgeliefert sind. Die neuen, sicheren Modelle erkennen Kunden an einem kleinen schwarzen Quadrat auf dem Barcode-Etikett und einem Aufkleber mit dem Buchstaben "S". Sollte das Problem nicht zügig beseitigt werden, drohen Samsung in den USA zudem teure Schadenersatzklagen. Analysten schätzen, dass die Panne den Konzern - in Dollar gerechnet - einen hohen dreistelligen Millionen- oder gar einen einstelligen Milliardenbetrag kosten wird.

Das Note 7, das sich im südkoreanischen Heimatmarkt schneller verkaufte als alle bisherigen Smartphones, ist ein sogenanntes Phablet mit einer Bildschirmdiagonale von 5,7 Zoll (14,5 Zentimeter), also ein Zwischending zwischen Handy und Tablet-Computer. Der große Bildschirm braucht einen besonders leistungsstarken Lithium-Akku. Dieser muss jedoch zugleich sehr dünn sein, weil das Gerät nur 7,9 Millimeter tief ist. Die Energiedichte des Akkus ist deshalb mit 3500 Milliamperestunden viel größer als bisher. Das Vorgängermodell kam auf lediglich 3000 mAh.

Seit es Lithium-Ionen-Batterien gibt, kam es immer wieder zu Zwischenfällen - meist, wenn die Energiedichte vergrößert wurde. Vor zehn Jahren musste Sony sieben Millionen Laptop-Batterien zurückrufen, weil einige in Brand geraten waren. Später mussten mehrere Boeing 787 notlanden, weil ihre Lithium-Ionen-Batterien sich erhitzten. Samsung hat zwei Drittel der Akkus für das Note 7 von seiner Tochterfirma Samsung SDI herstellen lassen, ein Drittel von Amperex in Hongkong. Nach Berichten südkoreanischer Medien will der Konzern vorerst alle Akkus vom Zulieferer Amperex beziehen, der auch Batterien für das neue iPhone herstellt.

Nach einer nicht repräsentativen Umfrage des Branchendienstes Android Police lassen sich nicht alle Kunden von den Berichten über brennende Smartphones abschrecken. 39 Prozent der Befragten sagen demnach, der Rückruf ändere ihre Meinung über Samsung nicht. 36 Prozent vertrauen dem Konzern nun sogar mehr, weil er schnell und effektiv reagiert habe. 24 Prozent sind misstrauischer geworden oder trauen Samsung nicht mehr. Die südkoreanische Nachrichtenagentur Yonhap zumindest schließt daraus: Der Rückruf beeinträchtigt Samsungs Reputation kaum.

Auch an der Börse hatte der gute Ruf des Unternehmens bisher ausgereicht, um einen Kurssturz zu verhindern. Das jedoch änderte sich am Montag: Die Samsung-Aktie brach im asiatischen Handel um sieben Prozent ein, in Europa setzte sich die Talfahrt am Nachmittag fort.

Auch ohne die Probleme mit dem Note 7 ist der Markt schwieriger geworden für den Apple-Rivalen. Dabei sind es weniger die Amerikaner, die Druck machen, als vielmehr jene Konkurrenten, die wie Samsung das Betriebssystem Android verwenden. Ihr Druck dürfte den Koreanern am Ende noch stärker zusetzen als der Rückruf.

2015 verkaufte Samsung 324 Millionen Smartphones, noch einmal einige Millionen mehr als in den Jahren zuvor. Relativ zu anderen Marken aber verlor man: Noch vor drei Jahren betrug der Marktanteil 33 Prozent, heute sind es nur noch 23. Gewinner sind vor allem chinesische Marken wie Huawei (9,5 Prozent Marktanteil), Vivo und Oppo. Vor zwei Jahren tauchte fast aus dem Nichts Xiaomi auf. Dazu kommen kleinere Marken im Hochpreis-Segment wie HTC aus Taiwan oder Sony.

Apple-Chef Tim Cook hat sich mehrfach damit gebrüstet, sein Unternehmen verdiene viel Geld an Nutzern von Android-Smartphones, die zu Apple überlaufen. In Wirklichkeit hält Apple seinen Marktanteil von etwa 15 Prozent nur noch dank China: In der Volksrepublik ist das iPhone nach wie vor ein besonderes Prestige-Objekt.

© SZ vom 13.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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