Rund um Berlin:Schöner leben

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Die Region um die Hauptstadt boomt. Mit allen positiven und negativen Folgen: Der Verkehr nimmt rasch zu, die Stadtplanung wird schwierig.

Von Steffen Uhlmann

Das Umland von Berlin wächst und wächst. Viele Firmen haben sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten hier angesiedelt. Immer mehr Brandenburger drängen in den "Speckgürtel" der Hauptstadt - der Arbeit nach. Auch haben viele Berliner ihren Wohnsitz vor die Tore der Stadt verlegt. Die landschaftliche Idylle und billigeres Wohnen zogen sie magisch an. So ist die Bevölkerung in den Umland-Kommunen seit 1990 um beinahe 50 Prozent gewachsen: von 630 000 auf knapp 950 000 Menschen.

Diese Tendenz hält an, mit allen negativen Folgen. 150 000 Pendler fahren täglich zur Arbeit nach Berlin. Mehr als 60 000 Berliner machen sich jeden Tag in umgekehrter Richtung auf die Reise. So sind die Straßen nicht mehr nur zu den Hauptverkehrszeiten dicht, die Züge voll. Dabei gilt der regionale Nahverkehr im Großraum Berlin noch immer als vorbildlich für ganz Deutschland.

In den Kleinstädten und Gemeinden rund um Berlin sieht man die Entwicklung zunehmend skeptischer, Infrastruktur und Wohnungsbau halten mit dem Wachstumstempo schon lange nicht mehr mit. Es fehlt an Straßen, Schulen, Verkehrsverbindungen, Kitaplätzen. Viele örtliche Sportvereine nehmen keine Kinder mehr auf, weil sie dem Ansturm nicht gewachsen sind. Grundstückspreise steigen, Wohnen wird immer teurer. In der Vergangenheit sind etliche Wohnparks hochgezogen worden. Sie stehen heute wie Fremdkörper da und haben nach Auffassung der Planer einen regelrechten Siedlungsbrei erzeugt. Davon ist auch Kathrin Schneider (SPD) überzeugt, die seit Ende 2014 als Ministerin für Infrastruktur und Landesplanung der wiedergewählten rot-roten Brandenburger Regierungskoalition angehört.

Schneider steht vor einem finanziellen Spagat. Sie will das Umland mit Investitionen in die Infrastruktur und den öffentlichen Wohnungsbau fitter für das anhaltende Bevölkerungswachstum machen und zugleich die Berlin-fernen Regionen nicht noch weiter abhängen. Dabei bleibt gerade dort die demografische Entwicklung dramatisch. Brandenburg altert abseits von Berlin. Die Berlin-fernen Regionen werden nach aktuellen Prognosen durch Todesfälle und Wegzüge junger Leute bis 2030 ein weiteres Fünftel ihrer Einwohner verlieren. Gleichzeitig wird das Hauptstadt-Umland in diesem Zeitraum etwa fünf Prozent an Bevölkerung gewinnen.

Die Landesregierung bemüht sich nun, über ein Modellvorhaben zunächst vier Städte an der brandenburgischen Peripherie als Zentren für ihr jeweiliges Umland zu erhalten. Eisenhüttenstadt, Frankfurt/Oder, Wittenberge und Wittstock sollen durch Abriss leer stehender Wohnungen und weitere Sanierung der Stadtzentren, durch mehr kulturelle und soziale Einrichtungen, durch Grünanlagen und Läden jeweils zu einem "kleinen Berlin" in der Provinz aufsteigen. Dafür hat die rot-rote Koalition in der laufenden Legislaturperiode 77 Millionen Euro reserviert. Ob das gelingt, ist allerdings genauso offen wie der Versuch, von der Hauptstadtmetropole weiter entfernte Kleinstädte wie etwa Nauen, Eberswalde oder Brandenburg/Havel für Pendler interessant zu machen. Fest steht nur, der Treck nach Berlin und in sein direktes Umland hält an - für Brandenburg Fluch und Segen zugleich.

© SZ vom 21.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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