Roland Koch:Scheitern eines Umsteigers

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Roland Koch, 56, wollte schon immer hoch hinaus, als hessischer Ministerpräsident, dann als Manager. Aber er scheiterte. (Foto: Arne Dedert/dpa)

Ex-Ministerpräsident Roland Koch ist als Chef des Baukonzerns Bilfinger gescheitert. Er hatte auf die Energiewirtschaft gehofft - ein Fehler. Doch Koch hat nicht alles falsch gemacht.

Von Karl-Heinz Büschemann, Detlef Esslinger und Max Hägler, München/Mannheim

Es ist ungewöhnlich, dass ein Aufsichtsratsvorsitzender den Rausschmiss eines Konzernchefs erklärt. Am Dienstag hat Bernhard Walter, der Chefkontrolleur des Baukonzerns Bilfinger, in einer Frankfurter Villa ausführlich erläutert, warum Roland Koch nicht mehr Chef im Hause sein darf und am Freitag nach nur drei Jahren im Amt ausscheiden wird. Ein so ungewöhnliches Verfahren deutet darauf hin, dass es zwischen dem Vorstandschef und dem Aufsichtsrat erheblichen Zoff gegeben hat. "Er hat die politische Verantwortung übernommen für die Entwicklung", sagt Bernhard Walter über den hessischen CDU-Ministerpräsidenten a. D.

"Die Ziele waren zu ehrgeizig", sagt er, über den Mann, den er selbst zu Bilfinger gelotst hatte. Innerhalb von wenigen Jahren wolle er das Konzernergebnis nicht nur steigern, sondern gar verdoppeln, hatte Koch zu seinem Einstand erklärt. Walter klingt so, als habe Koch aus freien Stücken irgendwelche Zahlen vorgelegt, und die anderen im Unternehmen seien viel zurückhaltender gewesen. "Im Nachhinein ist man immer schlauer", sagt Walter.

Es war eine der spektakulärsten Personalien der vergangenen Jahre. 2010 gab Roland Koch sein Amt in Wiesbaden auf, um kurz darauf zu dem Baukonzern zu gehen, der damals noch Bilfinger Berger hieß. Die Öffentlichkeit schaute auf den Umsteiger. Der Wechsel aus der Politik auf einen Posten an der Spitze eines Konzerns ist selten. Nach drei Jahren ist das Experiment zu Ende.

Kochs Bilanz in dem Unternehmen mit acht Milliarden Euro Umsatz und mehr als 70 000 Beschäftigten ist mager. Der Aktienkurs ist in seinen drei Chefjahren um 15 Prozent gefallen, obwohl Koch nicht alles falsch gemacht hat. Er habe aus dem Flickenteppich von 250 einzelnen Firmen einen einheitlichen Konzern mit einem einheitlichen Gesicht gemacht, versichern seine Mitarbeiter.

Die Energiewende beendete die Träume

Der Aufsichtsrat plant offenbar auch, die Strategie, die schon Kochs Vorgänger Herbert Bodner eingeleitet hatte, fortzusetzen, obwohl diese das Unternehmen in eine unerwartete Krise geführt hatte. Bilfinger hat sich vom klassischen Tief- und Hochbau auf den Betrieb und die Betreuung von Industrieanlagen und Kraftwerke verlegt. Davon erhoffte sich das Management bessere Renditen, und Koch hat den Aktionären noch bis vor wenigen Wochen wiederholt steigende Gewinne versprochen. Es kam anders. Vor allem die Energiewende beendete die Träume.

Es werden keine neuen Kraftwerke mehr gebaut. Auch die Wartung bestehender Anlagen wirft weniger ab, weil die Betreiber sparen und die Anlagen weniger warten. Dann sorgte auch noch der Ausfall eines Auftrags aus Südafrika für Frust. Der Bilfinger-Bereich "Power" erlebte "einen Sturz", wie es ein Bilfinger-Manager ausdrückt. Koch musste in diesem Sommer zweimal die Gewinnprognosen zurücknehmen. Der Aktienkurs ging seit Ende Juni um etwa ein Drittel zurück.

Das mögen Aktionäre nicht, vor allem gilt das für den Großaktionär Cevian. Der schwedische Finanzinvestor hatte seinen Anteil an Bilfinger erst im Mai auf knapp über 20 Prozent aufgestockt. Die Fondsfirma hat nach Angaben aus dem Unternehmen auch dafür gesorgt, dass Aufsichtsratschef Walter, der einst Vorstandssprecher der Dresdner Bank war, auf Distanz zu Koch zu ging. Der fühlte sich noch vor wenigen Tagen sicher im Sattel, doch die Lawine war ins Rollen gekommen.

Vor einer Woche wurde deutlich, dass Koch, der 2013 etwa 2,35 Millionen Euro verdiente, würde gehen müssen. Er hatte kaum noch eine Chance. Walter tut heute so, als sei er getäuscht, ja sogar betrogen worden, von dem Überambitionierten mit seinen unrealistischen Versprechungen. Bei der Fondsgesellschaft Cevian drängt sich der Eindruck auf, dass sie Koch sogar hat ins Messer laufen lassen und gar nicht erst versucht hat, Kochs Absturz abzubremsen.

Die Gewerkschaften indessen gehen am Dienstag erstaunlich milde mit Koch um. Noch vor vier Wochen hatte der stellvertretende IG-Bau-Chef Dietmar Schäfers dem Vorstandsvorsitzenden vorgeworfen, die Dividende sei ihm wichtiger als Menschen. Koch hatte damals über Personalabbau berichtet, zugleich aber den Aktionären eine stabile Dividende von drei Euro pro Aktie zugesichert. "Wer die Zukunft sichern will, darf die Lasten nicht einseitig bei den Beschäftigten abladen", hatte Schäfers gesagt.

Heute sagen Gewerkschafter, die Trennung sei ein "Schnellschuss", der wohl "vom Kapitalmarkt" getrieben sei - auch sie verorten das Problem eher bei den Leuten von Cevian als bei Walter. War es ein Fehler, einen Politiker in die Vorstandsetage zu holen? Diese Frage dürfte auch Koch umtreiben. Wird sein Fall zum Anlass genommen, über die Management-Qualitäten von Politikern nachzudenken? Nein, es war kein Fehler, sagt Aufsichtsratschef Walter. Koch habe sich bewundernswert eingearbeitet. Doch da waren eben diese vertrackten hohen Ziele, die er gerissen habe, Quartal für Quartal: "Bei fortschreitendem Vertun kippt die Stimmung in Richtung Vertrauensverlust."

© SZ vom 06.08.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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