Der Streit zwischen dem Schokoladenhersteller Ritter Sport und der Stiftung Warentest um den Aromastoff Piperonal in der Sorte "Voll-Nuss" soll offenbar durch die Instanzen ausgefochten werden. Ein Versuch der Pressekammer am Landgericht München I scheiterte am Freitag: Das Gericht hatte dazu geraten, ein gemeinsames Gutachten in Auftrag zu geben, in dem die Herkunft des Aromastoffes geklärt werden soll. Bis dahin sollten weitere rechtliche Schritte und Prozesse unterbleiben. Nach mehreren ausführlichen Beratungen der jeweiligen Parteien winkte schließlich die Stiftung Warentest ab. Daraufhin wurde die Verhandlung um die vom Gericht vor einigen Tagen gegen Stiftung Warentest erlassene einstweilige Verfügungen mit Zeugenaussagen, aber teilweise unter Ausschluss der Öffentlichkeit, bis in die frühen Abendstunden fortgesetzt.
Der Zwist ist kein Streit etwa um schädliche Zusätze. Vielmehr geht es um die presserechtliche Frage, ob die Warentester behaupten durften, dass der Inhaltsstoff Piperonal synthetisch hergestellt und damit kein "natürliches Aroma" sei, wie vom Schokoladenhersteller angegeben. Piperonal soll in diesem Fall der Vollmilch-Nuss-Schokolade einen "vanilligen" Geschmack geben. Das Gericht muss nun klären, ob Stiftung Warentest eine Tatsachenbehauptung aufgestellt oder lediglich eine Bewertung abgegeben hat, in dem es ausschließlich wegen der angeblich falschen Deklaration die Note "mangelhaft" vergab.
Piperonal kommt natürlich etwa in Pfeffer und Dill vor. Ritter Sport verlässt sich hier voll auf seinen Aroma-Lieferanten: Die Symrise AG, ein weltweit führender Hersteller von Aromen in Holzminden, bestätigt mit einer Garantieerklärung, dass dieser Rohstoff ein natürlicher Aromastoff ist, der aus Pflanzen in einem physikalischen Verfahren gewonnen wird. Deshalb ist die AG im dem Prozess dem Schokoladenproduzenten beigesprungen.
Betriebs- und Produktionsgeheimnisse
Allerdings will Symrise nicht Ross und Reiter nennen. Die AG beruft sich auf Betriebs- und Produktionsgeheimnisse, die vor allem die Schokoladenbranche nicht erfahren solle. Allerdings wird die Firma das in einem späteren Hauptsacheverfahren auf jeden Fall offenlegen müssen. Dann aber nur unter Ausschluss der Öffentlichkeit und vor zur Geheimhaltung verpflichteten Prozessbeteiligten.
Deshalb hatte das Gericht schon jetzt vorgeschlagen, in diese Richtung wenigstens erste Schritte zu gehen und Lieferanten und Produktionsstätten zu offenbaren. Als die Zuhörer wieder in den Sitzungssaal durften, machten die Warentester klar, dass die Angaben zu vage seien: Sie befürchten, "potemkinsche Dörfer" vorgespiegelt zu bekommen, wenn etwa die Stoffe aus den USA oder China stammen sollten. Man hege zwar kein spezielles Misstrauen gegen Symrise - "wir haben aber schlechte Erfahrungen aus anderen Fällen mit anderen Firmen".
Es geht um Ruf und Ehre: Das vernichtende Urteil der Stiftung Warentest für die "mangelhafte" Vollnuss-Schokolade hat Ritter Sport schwer verärgert. Das Aroma für die Schokolade kommt von der Firma Symrise. Sie muss nun vor Gericht nachweisen, dass der Stoff nicht chemisch, sondern natürlich hergestellt wird.
Die Projektleiterin des Schoko-Tests untermauerte das mit ihrer Zeugenaussage, dass ihres Wissens nach Piperonal nur "labormäßig" in sehr geringem Umfang aus Pflanzen in einem physikalischen Verfahren gewonnen werden könne. Das sei für eine Großproduktion nicht relevant, zumal die Kosten 30 mal höher seien, als bei einem synthetischen Verfahren.
Ihren Aktenordner mit ihren Rechercheergebnissen hatte die Zeugin zur Verwunderung des Gerichts aber nicht mitgebracht. Der Anwalt von Symrise meinte: Stiftung Warentest habe ohne Fachkenntnisse und ohne vernünftige Quellen zu haben, nur gemutmaßt.