Qualcomm:Smartphones auf Rädern

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Steve Mollenkopf, Chef des weltweit größten Herstellers von Chips für mobile Geräte, sieht sich nach neuen Geschäftsfeldern um. Und entdeckt dabei den Bereich Automotive, der eine Innovationswelle erlebe.

Von Helmut Martin-Jung und Shara Tibken, Frankfurt

Eigentlich würde man erwarten, dass der Chef einer Firma, die wesentliche Teile der neuen iPhones herstellt, bei deren Präsentation dabei ist. Doch Steve Mollenkopf, Chef des US-Chipherstellers Qualcomm, flog diese Woche lieber nach Deutschland. Das mochte damit zu tun haben, dass sich sein Unternehmen gerade vor Gericht mit Apple wegen Patenten fetzt, übrigens auch in Deutschland. Doch Mollenkopf ging es nicht um diesen Streit, sein Ziel war Frankfurt, genauer: die IAA.

Qualcomm, zu Hause in San Diego, ist der größte Hersteller der Welt für Chips, wie sie in Smartphones und anderen mobilen Geräten stecken. Diese Chips sorgen zum Beispiel dafür, dass sich Handys mit Funknetzen verbinden, und sie sind eine Art Gehirn der mobilen Geräte. Prozessoren von Qualcomm sind in Samsungs neuem Galaxy Note 8 verbaut, aber auch in einigen Modellen des neuen iPhones.

Doch da sich das Wachstum im Mobilgeräte-Markt abschwächt, hat sich Qualcomm nach Geschäftsfeldern mit höheren Wachstumsaussichten umgesehen. Dazu gehört der Bereich Automotive. "Das Auto erlebt gerade eine massive Innovationswelle", sagt er im Interview. Und in vielen davon kenne Qualcomm sich gut aus. "Sie werden hier mehr und mehr von uns sehen", kündigt er an.

Autos erhalten mehr und mehr smarte Funktionen, daher steigt auch der Bedarf nach leistungsfähigeren Prozessoren. Sie steuern, was unter der Haube geschieht, sind aber auch zuständig für Dinge wie Anzeigen und Bord-Unterhaltung. Die Marktforscher von IDC schätzen, dass die Halbleiterhersteller im Jahr 2021 knapp 42 Milliarden Euro im Markt für Automotive-Chips umsetzen werden, das wären 52 Prozent mehr als 2016.

"Das Auto saugt neue Technologien immer schneller auf."

Qualcomms Engagement im Automotive-Bereich konzentriere sich auf drei Gebiete: Verbindung, Datenverarbeitung und Elektromobilität, sagt Mollenkopf. Die Firma baut Chips, um Autos mit anderen und mit der Welt zu verbinden. Außerdem gehe es darum, Technologien wie elektrische Antriebe und selbstfahrende Autos möglich zu machen. Für Firmen wie Qualcomm werden Autos daher immer wichtiger.

Das Auto werde "die innovativste Plattform des nächsten Jahrzehnts" sein, sagte Mollenkopf denn auch zu Kanzlerin Angela Merkel, die bei der Eröffnung der Messe auch bei Qualcomm vorbeischaute. Sie informierte sich dort darüber, was die Firma technologisch zu bieten habe. Mollenkopf hält den Bereich Automotive sogar für innovativer als den der Smartphones - diese seien allerdings im vergangenen Jahrzehnt die Plattform mit den meisten Innovationen gewesen. Viele Technologien, die man von Smartphones kennt, werde man im Auto wiederfinden, sagt Mollenkopf voraus. Dazu gehört auch der kommenden Netzwerkstandard 5G. Er soll die nächste große Phase der mobilen Internetanbindung eröffnen. 5G wird nicht nur um ein Vielfaches leistungsfähiger sein als heutige mobile Verbindungen ins Internet, es erlaubt es auch, sehr viel mehr Geräte einzubinden, die nur winzige Datenmengen senden. Für den Automobilsektor ist 5G deshalb wichtig, weil Verbindungen anders als bei der bisherigen Technologie nahezu verzögerungsfrei aufgebaut werden können. Das ist wichtig für zeitkritische Dienste im Auto wie etwa Gefahrenwarnungen.

"Die Autos verlangen heute nach besonderer Ausstattung, weil sie sich bei kritischen Dingen wie Sicherheit und Energiesparen aufs Netzwerk verlassen", sagt Mollenkopf. 5G, das 2019 in den ersten Handys zu finden sein wird, werde auch bald danach in Autos kommen. "Die Geschwindigkeit, mit der das Auto neue Technologien aufsaugt, nimmt mehr und mehr zu."

Um am erwarteten Wachstum stärker teilzuhaben, hat Qualcomm vor etwa einem Jahr die Übernahme des Chipherstellers NXP angekündigt, der Preis: 32,5 Milliarden Euro. NXP ist derzeit der größte Chiphersteller für die Autoindustrie. Die Übernahme muss aber erst noch einige regulatorische Hürden in der EU nehmen.

© SZ vom 15.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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