Pub-Sterben in Großbritannien:Tristesse am Tresen

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Wirtschaftsabschwung und Knebelverträge: In Großbritannien schließen jede Woche 39 Kneipen. Manche Lokale setzen nun auf unkonventionelle Ideen.

Andreas Oldag, London

Andrew Thornton ist stolz auf seine neue Karriere als Investor. Zusammen mit vier Freunden hat der Rechtsanwalt den Pub "Marquess Tavern" im Londoner Stadtteil Islington gekauft. 175.000 Pfund haben sie auf den Tisch geblättert. Nun können sie nicht nur Bier in der eigenen Wirtschaft trinken, sondern hoffen auch auf einen guten Gewinn. Der Pub stand im vorigen Jahr vor der Schließung. "Der einzige Weg einer Rettung lag im Kauf. Da haben wir nicht lange gezögert", erzählt der 37-jährige Thornton, der hauptberuflich weiter als Anwalt arbeiten will.

Pub in London: Kunden übernehmen ihre Stammkneipe, um sie am Leben zu erhalten. In Großbritannien herrscht ein regelrechtes Pub-Sterben. (Foto: Foto: Reuters)

Die Initiative der Londoner Pub-Fans könnte Schule machen. Gäste übernehmen ihre Stammkneipe, um sie am Leben zu erhalten. Die britische Institution des Pub - Public House (öffentliches Haus) - steckt in der Krise. Vor allem die Rezession setzt den traditionellen Bierschwemmen schwer zu, in denen es üblicherweise auch Fish and Chips sowie Yorkshire Pudding gibt. Die Zeitung Guardian sprach von einem regelrechten Pub-Sterben und warnte davor, dass schon bald ein Stück britischer Kultur verloren gehen könnte.

Pro Woche machen im Königreich im Schnitt 39 Pubs dicht. Noch gibt es etwa 57.000 Pubs zwischen Inverness im Norden und Brighton im Süden der Insel. Die Wirte klagen nicht nur über die Folgen der Wirtschaftskrise, die ihnen weniger Besucher beschert. Es geht auch um zu harsch empfundene Miet- oder Franchisevereinbarungen. Mehr als die Hälfte der britischen Pubs gehören großen Ketten, Brauereien oder Immobiliengesellschaften. Die Wirte können über ihr Geschäft nur eingeschränkt bestimmen.

Klage über die Dürreperiode

Die Problematik dieser "Knebelverträge" hat jetzt sogar politische Wellen bis ins britische Unterhaus geschlagen. Parlamentsabgeordnete fordern, dass die Wettbewerbsbehörde Competition Commission die Branche unter die Lupe nimmt.

Kritiker monieren, dass die Filial-Wirte deutlich mehr für das gelieferte Bier zahlen müssen als freie Pub-Besitzer. Große Pub-Ketten wie Punch und Enterprise, die jeweils etwa 7500 Gaststätten in ihrem Bestand haben, klagen ihrerseits über die Dürreperiode. Die beiden Marktführer müssen Medienberichten zufolge einen Schuldenberg von insgesamt acht Milliarden Pfund (etwa neun Milliarden Euro) abtragen - eine Folge der aggressiven Expansionsstrategie in den zurückliegenden Jahren des britischen Wirtschaftsaufschwungs.

Doch der Boom ist vorbei. Negativ wirkt sich nun für die Firmen auch der Einbruch bei den Immobilienpreisen aus, vor allem wenn sie Bankkredite durch Hypotheken abgesichert haben.

Alkohol von zuhause

"Der Markt hat sich infolge der Finanzkrise völlig gedreht", meint Simon Hall, Direktor der Immobilienfirma Fleurets, die sich auf Vermittlung von Pubs und Hotels spezialisiert hat. Viele der einst ertragsstarken Pub-Ketten würden jetzt ihre Gaststätten auf den Markt werfen, um ihre Schuldenlast abzubauen, so Simon. Neue Pub-Unternehmer finden sich jedoch kaum. Viele Immobilien werden stattdessen an Ärzte, Anwälte und Steuerberater vermietet.

Nur die unerschrockenen Wirte kämpfen weiter - mit durchaus unkonventionellen Geschäftsideen. Weil sich die Kunden wegen der Finanzkrise und Billig-Alkohol in Supermärkten seltener in seinem Pub blicken lassen, erlaubt ein Wirt seinen Gästen, ihren eigenen Alkohol mitzubringen. Jeweils samstags müssen Besucher eines Pubs im mittelenglischen Corby nur fünf Pfund Eintritt zahlen, um die Kosten für den Discjockey und Türsteher zu decken. Ihre Getränke können sie von zu Hause mitbringen.

Das Angebot stieß gleich beim ersten Mal offenbar auf ein großes Echo. "Die Leute standen mit ihren Supermarkt-Tüten Schlange, und es war ein großartiger Abend. Wir werden nicht einer der vielen Pubs sein, die eingehen", ist Wirt Bip Wetherell zuversichtlich.

© SZ vom 17.07.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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